Beschreibung von Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 135
Bibliographische Beschreibung
Überblickbeschreibung
Goffredus de Trano: Summa super titulis decretalium
Laut einem Merkvers behandeln die fünf Bücher der 'Decretales' Gregors IX. (s. Dom Hs. 130, Kat.Nr.57) die großen Komplexe 'iudex, iudicium, clerus, connubia, crimen'. Dabei hatte Raymund von Peñafort (gest. 1275) die päpstlichen Schreiben und Entscheidungen über Richter, Urteil und Gericht, über klerikales wie laikales Recht und strafrechtliche Sachverhalte nicht in ihrem vollen Wortlaut aufgenommen; vielmehr wurden die Texte, jeweils reduziert auf die juristisch relevanten Bestimmungen, systematisch zu einzelnen Titeln zusammengefaßt. Das bedeutet zugleich, daß umfangreichere Decretales zu diversen Problemen nicht als Einheit erhalten sind.
Außer in zahlreichen Glossenapparaten - meist zusammen mit dem kommentierten Text überliefert - setzten sich die Dekretalisten auch in selbständigen Werken mit dem 'Liber Extra' auseinander. Autor einer beliebten und weit verbreiteten 'Summa super titulis decretalium' ist Goffredus de Trano (gest. 1245). Der aus Trani in Apulien stammende Jurist hatte zunächst in Neapel Zivilrecht gelehrt, bevor er als Kanonist nach Bologna ging. In der Vorrede zu seiner Titelsumme nennt er sich selbst Subdiakon und Kapellan des Papstes. Als 'auditor litterarum contradictarum' war er darüber hinaus im Dienst der Kurie mit richterlichen Funktionen betraut. Goffredus' wissenschaftliches Hauptaugenmerk galt den 'Decretales' Gregors IX. Nachdem er bereits einen Glossenapparat zum 'Liber Extra' verfaßt hatte, entstand wohl zwischen 1241 und 1243 die 'Summa'. In der Reihenfolge der Titel erörtert er in einer klar verständlichen Sprache eine Vielzahl von Fällen und bietet so ein Lehrbuch des kanonischen Rechts, das später auch gedruckt erschien.
Einziger Schmuck des Textes in Dom Hs. 135 - sieht man einmal von den einfachen Fleuronnée-Initialen ab - ist der von schmalen Goldleisten gerahmte Zierbuchstabe zur Vorrede. Raffiniert werden die beiden Drachenwesen dazu verwendet, die nur durch feine Deckweißlinien gegen das blaue Binnenfeld abgesetzte Initiale zu einem Majuskel-G zu vervollständigen. Farbigkeit und Ornamentik lassen auf eine Entstehung in Nordfrankreich schließen, wo in der zweiten Hälfte des 13.Jahrhunderts wandernde Künstler für steten Austausch mit den führenden Werkstätten in Paris sorgten.
Anders als in einer stilistisch etwas fortgeschritteneren französischen Handschrift der 'Summa' des Goffredus in Frankfurt mit zwei ganzseitigen Arbores-Miniaturen (Stadtbibl., Ms. Praed. 90 [1547]; R. Schilling, Die illuminierten Handschriften und Einzelminiaturen in Frankfurter Besitz, Frankfurt 1929, Nr. 49) begnügte man sich im Kölner Codex mit einfachen Zeichnungen für die Verwandtschaftstafeln, die vermutlich der Schreiber selbst angefertigt hat. Im Vergleich zu älteren Beispielen (s. Dom Hs. 127, Kat.Nr.55) fällt auf, daß sowohl für die Blutsverwandtschaft wie für die Schwägerschaft nicht mehr sieben, sondern nur noch vier Grade angegeben werden. Die entsprechende Bestimmung des 4. Laterankonzils von 1215 war auch in die 'Decretales' Gregors IX. übernommen worden. Trotz dieser Reduzierung galt die Materie weiterhin als so kompliziert, daß Goffredus nicht auf die optische Vergegenwärtigung durch die 'Arbores consanguinitatis et affinitatis' verzichten wollte. Er belegt vielmehr anhand von Beispielen den Vorrang des Sehens vor dem Hören und dringt darauf, daß die 'arbores depictae' als anschauliche Hilfe zum Verständnis in den Text eingefügt werden (vgl. H. Schadt, Die Darstellungen der Arbores Consanguinitatis und der Arbores Affinitatis, Tübingen 1982, S. 195ff. u. 212f.).
Zustand und Zusammensetzung
Schrift und Hände
Lateinischer Text in dunkelbrauner früher Textura, rubriziert;
Buchschmuck
- Zwei- bis mehrzeilige Lombarden in Rot und Blau mit einfachem Fadendekor; mehrzeilige einfache Fleuronnée-Initialen zu Beginn der Bücher in Blau und Rot; Eingangsinitiale in Blau mit vegetabiler und zoomorpher Füllung des Binnenfeldes in hellem Violett, Minium, Ocker und Weiß auf blauem Binnen- sowie hellviolettem Außengrund, Rahmung in Gold; Verwandtschaftstafeln in roter und schwarzer Federzeichnung.
Einband
Einband: Pergament mit Streicheisenlinien über Pappe (Mitte 18.Jh.).
Geschichte der Handschrift
Inhaltsangabe
- 1r Titel Summa Goffridi de Trano .
- 1v Leer.
-
2r-134v
Autor: Goffredus de Trano
Titel: Summa super titulis decretalium
(Basel 1487, Venedig 1491 und öfter)
- 2r Vorrede Incipit: G(losarum diversitas) ; Buch 1, Titulus 1 Incipit: De summa trinitate et fide catholica. Post prohemium .
- 40r Buch 2, Titulus 1. De Iudiciis Explicitis quibusdam iudiciorum .
- 64v Leer.
- 65r Buch 3, Titulus 1. De vita et honestate clericorum Finito tractatu Iudiciorum .
- 90v Leer.
- 91r Buch 4, Titulus 1. De sponsalibus et matrimoniis Postquam de hiis .
- 97v Arbor consanguinitatis.
- 99r Arbor affinitatis.
- 105r Buch 5, Titulus 1. De accusationibus inquisitionibus et denunciationibus Proxime tractavimus de accusatione matrimonii.
- 134v Ende mit Explicit: et propterea malui repetere quam deesse. Explicit hec summa .
Bibliographie
- Hartzheim 1752, S. 83f.
- Jaffé/Wattenbach 1874, S. 56
- Handschriftencensus 1993, S. 652, Nr. 1100.
Quellenangabe
- Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung. München 1998. S. 278-280 (Beate Braun-Niehr) [Digitaler Volltext]