Beschreibung von Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 8
Bibliographische Beschreibung
Überblickbeschreibung
Psalterium quadruplex
Insgesamt dreimal nahm sich der Kirchenvater Hieronymus (347/348-419/420) der lateinischen Übersetzung der Bibel an. Er revidierte zuerst die altlateinische Textfassung (382-385), übertrug anschließend die griechische (386/387) und dann die hebräische Bibel (392) in die lateinische Sprache (von Euw 1985, S. 394). Die drei lateinischen Versionen des Psalters - Romanum, Gallicanum und Hebraicum - wurden im Auftrag Salomons III. (890-920), Bischof von Konstanz und Abt von St. Gallen, im sog. Psalterium quadruplex nebeneinandergestellt und um die griechische Fassung in lateinischer Transkription ergänzt. Wahrscheinlich diente dieser Psalter Studienzwecken, z.B. dem Erlernen der griechischen Sprache. Es fällt auf, daß zumindest in Dom Hs. 8 die Spalte mit dem griechischen Text jeweils von einer anderen Hand geschrieben wurde als der lateinische Text. Offensichtlich konnte die Kenntnis des Griechischen bei keinem der zahlreichen lateinischen Schreiber vorausgesetzt werden. In ottonischer Zeit scheint sich dieser Psalter einiger Beliebtheit erfreut zu haben, denn es sind eine Reihe von Exemplaren überliefert (Rom, Bibl. Vaticana, Pal. lat. 39; Essen, Münsterschatz, s.n.). Sie gehen alle auf eine Handschrift zurück, die sich heute in der Staatsbibliothek von Bamberg befindet (Ms. Bibl. 44). Aus ihrem 44 Hexameter umfassenden Widmungsgedicht sind der Auftraggeber Salomon III., die Bezeichnung 'quadruplex' und das Entstehungsjahr 909 bekannt. Einer nicht sehr alten Legende nach (Berschin 1991, S. 328f.) gelangte dieses Exemplar aus dem Nachlaß Kaiser Ottos II. (967-983) nach Bamberg, der - laut dem Zeugnis Ekkehards IV. (980/990-nach 1056; MGH SS II, S. 147) - im Jahre 972 einige Handschriften in St. Gallen entlieh, ohne sie wieder zurückzugeben. Laut Hoffmann (1995, S. 15) erreichte der Psalter Bamberg jedoch erst in späterer Zeit. Zuvor habe er sich, den Marginalglossen zufolge, seit der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts in einem nordwestdeutschen Skriptorium befunden. Die mehr als 100 Jahre späteren Abschriften halten sich erstaunlich exakt an die Vorlage. Dom Hs. 8 enthält neben dem Widmungsgedicht (9r) und einigen Papst Damasus I.
(366-384) zugeschriebenen Versen (9v) die Briefe des hl. Hieronymus, in denen er die verschiedenen Bibel-Übersetzungen (1r-8v) erläutert und die Origo prophetiae David (8r), die von der Auswahl der Psalmensänger durch David und vom Gesang beim Einzug in Jerusalem mit der Bundeslade berichtet (vgl. 1 Chr 25, 1-7; 15, 14-29). Von dem Widmungsgedicht fehlen durch den Verlust einer Seite die ersten sechs Verse. Der Anhang (159r-164v) umfaßt zweisprachig das 'Vater unser', die Glaubensbekenntnisse, das Gotteslob und eine griechisch-lateinische Litanei. Letztere enthält die süddeutschen Heiligen der Vorlage (Kahsnitz 1979, S. 103) sowie eine Bitte für den zur Zeit Salomons herrschenden König Ludwig (900-911). Die Kölner und auch die eng verwandte Essener Handschrift wurden also ohne Rücksicht auf evtl. abweichende lokale Bedürfnisse kopiert. Sie gehen wohl direkt auf das Bamberger Urexemplar zurück, während das vatikanische Fragment sich offensichtlich an Dom Hs. 8 orientiert (Berschin 1991) - dem Widmungsgedicht fehlen die gleichen sechs Verse. Da dieses Fragment einem Psalter des späten 11. Jahrhunderts mit einer nachgetragenen kölnischen Litanei beigebunden ist, könnte man vermuten, daß sich Dom Hs. 8 schon zu dieser Zeit in Köln befand. Entstanden ist sie dort jedoch nicht. Hoffmann (1995) zufolge wurde sie im 2. Viertel des 11. Jahrhunderts im 1015 gegründeten Benediktinerkloster Michelsberg zu Bamberg geschrieben.
Zustand und Zusammensetzung
Schrift und Hände
Lateinischer und griechischer Text in lateinischer Umschrift in hell- bis dunkelbrauner frühromanischer Minuskel, rubriziert; Auszeichnungsschrift: Capitalis Rustica mit unzialen Elementen; zu Beginn der Verse ein-, zu Beginn der Psalmen zwei- bis mehrzeilige Initialen in Minium.
Einband
Pergament mit Streicheisenlinien über Pappe (Mitte 18. Jh.).
Geschichte der Handschrift
Inhaltsangabe
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1r-9v
Vorreden.
- 1r Titel: Brief des Hieronymus an Sunnia und Fretela über die Fehler der griechischen Psalmenübersetzung D(ilectis fratribus) (Lambert I/1, 106; CSEL 55, 247-289; Stegmüller 451).
- 8r Titel: Entstehungsgeschichte der Psalmen ORIGO PROPHETIAE DAVID. d(avid filius Iesse) (Stegmüller 414).
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8r
Autor:
Hieronymus
Titel: Brief an Paula und Eustochium P(salterium Rome) (Lambert I/1, 157; PL 29, 121-124; Stegmüller 430).
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8v
Autor:
Hieronymus
Titel: Brief an Sophronius Scio quosdam - ut polliceris transtuleris (unvollständig; Lambert I/1, 158; PL 28, 1183-1188; Stegmüller 443).
- 8v S(cio).
- Die folgende Seite mit der Fortsetzung des Textes fehlt.
- 9r Dedikationsverse Abt Salomons III. von St. Gallen ( 890-920 ) für den Psalter der Staatsbibliothek in Bamberg Bibl. 44 ( 909 ): QUOS SIBI PONTIFICES LEGIT (Anfang fehlt; MGH PP IV/1, 347).
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9v
Autor:
Pseudo-Damasus
Titel: Verse VERSICULI HIERONIMI PRESBITERI. PSALLERE QUI DOCUIT, NUNC DAMASI MONITIS (PL 13, 375; Stegmüller 419, 408; Schaller/Könsgen 12730, 10728 ); AETERNI PATRIS (Stegmüller 359; Schaller/Könsgen 426).
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10r-147r
Titel: Psalterium quadruplex. Psalm 1-151.
- 10r Ps 1 Incipit: B(eatus vir), B(eatus), b(eatus), M(acharios) . Die Reihenfolge der Textvarianten ist auf 10r in späterer Schrift über den Kolumnen nachgetragen: Gallicanum, Romanum, hebraicum, Grecum. Ab und zu erscheinen originale, rubrizierte Seitentitel im weiteren Verlauf des Textes. Psalm 151 ohne griechische Textvariante.
- 147v-158v Titel: Cantica quadruplex beginnend mit dem CANTICUM AESAIAE PROPHETAE. C onfitebor, Confitebor, Exomologiso.
- 159r/v Titel: Pater noster, Credo, Te Deum (lateinisch und griechisch; das griechische Te Deum unvollständig).
- 159v Titel: LAUS POST LECTIONEM SANCTI EVANGELII. Te decet .
- 160r Titel: Athanasianisches Glaubensbekenntnis (lateinisch) Q(uicumque vult)
Bibliographie
- Hartzheim 1752, S. 7ff.
- Jaffé/Wattenbach 1874, S. 3f., 101f.
- A. Rahlfs, Septuaginta-Studien II: Der Text des Septuaginta-Psalters, Göttingen 1965, S. 8f.
- R. Kahsnitz, Der Werdener Psalter in Berlin, Düsseldorf 1979, S. 101ff.
- Ornamenta 1985, I S. 394, 434, Nr.C 13 (A. von Euw)
- E. Mittler u.a. (Hgg.), Biblioteca Palatina, Bd.I-II, Ausst.Kat. Heidelberg 1986 (Heidelberger Bibliotheksschriften 24), S. 128f., Nr.C 6.5 (W. Berschin)
- W. Berschin, Salomons III. Psalterium quadrupartitum in Köln und Heidelberg, in: Theophanu 1991, I S. 327ff.
- Handschriftencensus 1993, S. 578f., Nr. 971
- M. Gibson, Glossed Psalters, in: R. Gameson (Hg.), The Early Medieval Bible. Its production, decoration and use, Cambridge 1994, S. 78 Anm.2
- R. McKitterick, Ottonian Intellectual Culture in the Tenth Century, in: A. Davids (Hg.), The Empress Theophanu, Cambridge 1995, S. 175
- Collegeville 1995, S. 13ff.
- H. Hoffmann, Bamberger Handschriften des 10. und 11. Jahrhunderts, Hannover 1995 (Schriften der MGH 39), S. 73, 180.
Quellenangabe
- Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung. München 1998. S. 282-284 (Ulrike Surmann) [Digitaler Volltext]