Beschreibung von Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 81
Bibliographische Beschreibung
Überblickbeschreibung
Prudentius: Carmina
Die Handschrift beinhaltet das gesamte Werk des christlichen Dichters Prudentius (geb. 349), der im Mittelalter zu den meistgelesenen Autoren zählte und dessen literarische Qualität von der Forschung erst in den letzten Jahrzehnten wieder zunehmend gewürdigt wurde. Prudentius hat in seinen Werken nicht nur - ähnlich Horaz - die verschiedensten Metra verwendet, sondern auch in vielfältigen literarischen Formen die Fülle christlichen Lebens angemessen darzustellen versucht. Die Tageslieder mit dem griechischen Titel 'Cathemerinon' behandeln den Tageszeiten und Festtagen entsprechende Themen, im 'Peristephanon' besingt der Dichter die ruhmreichen Märtyrer. Während die 'Tituli historiarum' jeweils in vier Hexametern Teile eines biblischen Bilderzyklus in einer römischen Basilika beschreiben, beziehen sich die Langgedichte 'Hamartigenia' auf Ursprung und Formen des Bösen; die 'Apotheosis' schließlich widerlegt die Häresien z.B. der Patripassianer und Sabellianer, aber auch der Juden. Das berühmteste Werk des Prudentius jedoch - besonders im Mittelalter zahlreich nachgeahmt - ist die 'Psychomachie': Hier begründete der Dichter die Gattung des allegorischen Epos in einer Schilderung vom Kampf der Tugenden gegen die Laster als lebendiges Schlachtgeschehen auf der Basis antiker epischer Bauformen und Vorbilder (Vergil, Ovid, Lucan u.v.a.).
Die Texte des Prudentius und große Teile der umfangreichen Randglossierung stammen im wesentlichen von einer Hand, zwei weitere Schreiber fügten in die Leerräume vor und nach der 'Psychomachie' Fülltexte ein. Aufgrund der umfassenden Untersuchung von Stettiner kann es als gesichert gelten, daß der Codex, wie wohl alle erhaltenen, bebilderten Prudentius-Handschriften, auf eine bereits illustrierte Ausgabe des 5. Jahrhunderts zurückgeht. Eine karolingische Abschrift steht an der Spitze einer schweizerisch-süddeutschen Familie, zu der als nächste Verwandte unseres Codex auch drei Brüsseler und eine Berner Handschrift gehören. Leitfäden bei der Verwandtschaftsbestimmung sind zum einen die von der üblichen Reihenfolge abweichende Anordnung der Werke, die mit dem wohl zwischen 863 und 880 in St. Gallen geschriebenen Cod. 264 der Berner Stadtbibliothek und dem Mitte des 11. Jahrhunderts entstandenen Cod. 9968-72 der Bibliothèque Royale in Brüssel übereinstimmt. Zum anderen verweisen die althochdeutschen Glossen neben den zahlreichen lateinischen Anmerkungen auf eine alemannische Vorlage des Kölner Codex.
Zustand und Zusammensetzung
Schrift und Hände
Lateinischer Text in mittel- bis dunkelbrauner frühromanischer Minuskel, nicht rubriziert; Auszeichnungsschrift: Capitalis Rustica; Initialen: Capitalis Quadrata;
Buchschmuck
- Ein- bis mehrzeilige kapitale Anfangsbuchstaben in Tinte, z.T. rot oder grün schattiert; Miniaturen, z.T. in Vorzeichnung, z.T. grün, beige und rot koloriert (65v).
Einband
Einband: Kalbleder mit Blindprägung über Holz; Einzelstempel: Rosette, steigendes Einhorn, Lilie, Pelikan, Schwan; Streicheisenlinien: Rechteckrahmung mit Rautenfüllung; zwei Schließen aus Messing und Leder; um 1920-1930 neu gebunden.
Geschichte der Handschrift
Inhaltsangabe
- 1r Vermerk des Titels der Edition von J. Weitzius: Aurelii Prudentii Clementis V.C. poemata omnia excepto ultimo quod Diptychon historiarum V. et N.T. distichis comprehensum inscribitur convenit cum impressis Joannes Weitzius Hannoviae 1613 cum
- 1v Auf zur Ausbesserung der schadhaften Seite eingefügtem Papier moderne Handschrift, vertikale Zeilen, unleserlich.
- 1v Autor: Gennadius Titel: De viris illustribus, Kap. 13 (De Prudentio) (Richardson, zitiert in: CCL 126, XV).
- 1v-2r Autor: Prudentius Titel: Praefatio (CCL 126, 1f. ) mit vorangestellter metrischer Erklärung Incipit: INCIPIT PRAEFATIO AURELII PRUDENTII. De tricolos tristrophos. nam primus dyconius dicitur. constans ex spondeo chor[i]ambo et pyrichio
-
2r-16r
Autor: Prudentius
Titel: Cathemerinon ("Tageslieder")
, (
CCL 126, 3-72
). Allen Gedichten sind metrische Erklärungen vorangestellt.
- 2r Incipit: YMNUS AD GALLI CANTUM (Hymnus zum Hahnenschrei, cath. I).
- 3r Incipit: IMNUS MATUTINUS (cath. II).
- 4r Incipit: YMNUS ANTE CIBUM (Vor dem Essen, cath. III).
- 6r Incipit: INCIPIT YMNUS POST CIBUM (Nach dem Essen, cath. IV). Hier und im nächsten Gedicht stehen Incipit und metrische Erklärung ohne die sonst übliche Absetzung und Schriftänderung im fortlaufenden Text.
- 7r Incipit: INCIPIT YMNUS AD INCENSUM LUCERNAE (Zur Entzündung des Lichts, cath. V).
- 8v Incipit: INCIPIT YMNUS ANTE SOMNUM (Vor dem Schlafengehen, cath. VI).
- 9r Incipit: INCIPIT YMNUS IEIUNIANTIUM (Hymnus der Fastenden, cath. VII).
- 11r Incipit: INCIPIT YMNUS POST IEIUNIUM (Nach dem Fasten, cath. VIII).
- 12r Incipit: INCIPIT YMNUS OMNI HORA (Hymnus für jede Stunde, cath. IX).
- 13r Incipit: INCIPIT YMNUS circa exequias defunctorum (Zum Totengedenken, cath. X).
- 14r Incipit: INCIPIT YMNUS VIII KAL. IAN. (Zum 25. Dezember, cath. XI).
- 15r Incipit: INCIPIT YMNUS DE EPIPHANIA (cath. XII).
-
16r-35v
Autor: Prudentius
Titel: Peristephanon (Über die Gekrönten, Märtyrergedichte)
; (
CCL 126, 251-389
). Allen Gedichten sind metrische Erklärungen vorangestellt.
- 16r Perist. I.
- 17v Perist. V.
- 20r Perist. II.
- 22v Perist. XI.
- 25r Perist. XIII.
- 26r Perist. XII.
- 26v Perist. IV.
- 28r Perist. XIV.
- 29r Perist. III.
- 31r Perist. VI.
- 32v Perist. VII (bis Vers 65). Am unteren Seitenrand hat eine späte Hand in schwarzer Tinte die Vertauschung der Lagen 5 und 6 vermerkt und zitiert die ersten Verse von Fol. 41 .
- 33r Perist. X (ab Vers 759).
- 36r Autor: Prudentius Titel: De opusculis suis (Epilogus) , ( CCL 126, 401f. ). Am Textende falsche Angabe FINIT PERISTEFATON .
- 36r-38r Autor: Prudentius Titel: Tituli historiarum, jeweils mit Überschriften und Majuskelinitialen (CCL 126, 390-400).
- 62v Fülltexte: Titel: Ordines Christi (vgl. Dom Hs. 85 ). Christus lector fuit quando aperuit librum Esaiae et legit und Liste von Städtenamen ( nach Stettiner 1895, 121 wie Cod. 164 der Kantonalbibliothek Zürich ) Argentaria, Strazburg, Agrippina ,
- 63r-64v Exzerpte aus Hrabanus Maurus, De institutione clericorum (vgl. Dom Hs. 110 ) über Priestergewänder und die Meßordnung (Kap. 15-24, 33; PL 107, 306B-309D, 322C-326A).
- 65r Aufzählung von Lastern aus Eutrop, De octo vitiis ( PL 80, 9D-10D, 12C-12D ) und anonyme Aufzählung von vier Tugenden (nicht ediert?): QUATTUOR VIRTUTES. I prudentia est in rebus quae discernuntur a bonis mala. II iustitia qua recte iudicando sua quaeque distribuit. III temperantia qua libido est cupiscentiae atque rerum frenatur. IV fortitudo qua adversa aequanimiter (?) tolerantur .
-
65v-94r
Prudentius, Psychomachie (
CCL 126, 149-181
), anfangs noch mit ausführlichem Randkommentar;
- zwischen 93 und 94 fehlt ein Blatt mit Psych. 840-901; Bildbeischriften bis 88v .
- 65v Miniatur: Abraham und die drei Engel (?).
- 79r/v Vorritzungen zu den Illustrationen.
- 94r Ausradierte Zeichnung eines Thronenden (?).
- 94v-95r Titel: Kommentar zu Prudentius psych. 830-867 und angeschlossen Exzerpt aus Walafrid Strabo, De rebus ecclesiasticis (Kap. 31) ; ( PL 114, 964C).
- 95v-96r Fortsetzung der Titel: Exzerpte aus Hrabanus Maurus von Fol. 64 (PL 107; 326A-B, 357D-358A ); darunter ( 95v ) und darüber ( 96r ) Autor: Bruno von Würzburg Titel: Commentarius in orationem dominicam (mit Abweichungen: PL 142, 557C-559B).
-
96v-112r
Autor: Prudentius
Titel: Contra Symmachum
(CCL 126, 209-50).
- Zwischen 110 und 111 fehlt ein Blatt mit c. Symm. II,878-977.
- 112r Titel: Fragment eines Kommentars velitatio. levis contentio
- 112v Titel: Antiphon mit Neumen Pater Abraham (s. Collegeville 1995, 146).
- zahlreiche Interlinear- und Marginalglossen ( 10./11. Jh. ).
Bibliographie
- Hartzheim 1752, S. 44, 138
- E. Steinmeyer, Glossen zu Prudentius, in: ZDA16 (1873), S. 94ff.
- Jaffé/Wattenbach 1874, S. 27f., 112ff.
- R. Stettiner, Die illustrierten Prudentiushandschriften (Diss. Strassburg), Berlin 1895
- B. Bischoff, Übersicht über die nichtdiplomatischen Geheimschriften des Mittelalters, in: MIÖG 62 (1954), S. 4, Nr. 11
- R. Bergmann, Mittelfränkische Glossen, Bonn 1966, S. 208ff., 70, 157ff., 311ff.
- G. Wolf, Der Sprachstand der althochdeutschen Glossen des Codex 81 der Kölner Erzdiözesanbibliothek, Bonn 1970 (Rheinisches Archiv 71)
- Jeffré 1984 , S. 10f.
- Jeffré 1991 , S. 167
- Handschriftencensus 1993, S. 618f., Nr. 1043
- Collegeville 1995, S. 141ff.
Quellenangabe
- Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung. München 1998. S. 317-320 (Alexander Arweiler)[Digitaler Volltext]