Beschreibung von Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 67
Bibliographische Beschreibung
Überblickbeschreibung
Augustinus: Psalmenkommentar
Die drei Codices enthalten in derselben Aufteilung wie die mittlerweile gedruckte Edition den Text der umfangreichen Erläuterungen des Augustinus (354-430) zu den Psalmen 1-50, 51-100 und 101-150. Die 'Enarrationes in psalmos' sind entweder in der Form von kurzen, wenig ausformulierten Erklärungen zu Wortlaut und Bedeutung jedes Psalmverses geschrieben oder sie sind Predigten an das Volk, die Augustinus im Anschluß an die Textverlesung gab. Oft beginnen die Darlegungen mit Hinweisen auf Ausführungen des Vortages, so daß man einer Tag für Tag, Psalm für Psalm fortschreitenden Unterrichtsreihe über das bereits in der Alten Kirche so beliebte Psalmenbuch beizuwohnen glaubt.
Das monumentale Werk wurde von insgesamt zehn Frauen abgeschrieben, die jeweils an das Ende des von ihnen bearbeiteten Teiles ihren Namen setzten: in Dom Hs. 63 Girbalda (86v), Gislildis (174v), Agleberta (263v), in Dom Hs. 65 Adruhic (73v), Altildis (151v), Gisledrudis (224v), Eusebia (289v) und ein mit den letzten Blättern verlorener Name, schließlich in Dom Hs. 67 Vera (105v) und Agnes (183v). Sie alle schrieben eine exakte karolingische Minuskel mit charakteristischen Eigenheiten, die Uncialis und gemischten Majuskeln der Titel und Psalmenzitate sind rubriziert und sauber ausgeführt, die seltenen Korrekturen meist ordentlich am unteren Textrand nachgetragen. Rubriziert sind in der Regel auch Incipits und Explicits, allerdings fehlen z.B. im Teil der Altildis (Dom Hs. 65, 74r-151v ) häufig die Auszeichnungen der Psalmenzitate oder manchmal sind irrtümlich Textteile rubriziert (z.B. Dom Hs. 67, 75r). In allen drei Codices finden sich, wenn auch nicht zahlreich, mehrfarbige Initialen. Lediglich in Dom Hs. 67 werden die ersten beiden Psalmen durch farbige Hohlkapitalen, zu Beginn sogar mit Flecht- und Schlangenbändern sowie einer Fischinitiale, feierlich hervorgehoben. Zumindest vier der Schreiberinnen wirkten auch an einer zweiten Abschrift desselben Werkes mit, von der Teile in einer Berliner Handschrift erhalten sind (Staatsbibl., Phillipps 1657; vgl. CLA VIII 1959; Bischoff 1966, S. 20). Eine Reihe weiterer Codices derselben Herkunft (etwa zwischen 785 und 810 entstanden) und der Ornamentstil haben Bischoff (1966) vermuten lassen, daß die Dom-Handschriften 63, 65 und 67 aus einem gut ausgestatteten Nonnenkonvent mit diszipliniertem Skriptorium in Nordostfrankreich stammen. Er hat hierfür den Ort Chelles vorgeschlagen, wo die Schwester Karls des Großen, Gisela (757-810), einem Kloster als Äbtissin vorstand. Aus ihrem Briefwechsel mit Alkuin (um 730-804) wissen wir von der Existenz einer dortigen Bibliothek. Die Nachrichten von Nonnen als Schreiberinnen sind zwar zunächst spärlich, ihre diesbezügliche Tätigkeit ist jedoch als gängige Praxis aus englischen Klöstern bekannt und offenbar im 11. Jahrhundert sehr verbreitet gewesen.
Eingebundene Vorsatzblätter in Dom Hss.63 und 67 tragen den typischen Vermerk der Bibliothek Erzbischof Hildebalds (vor 787-818) CODEX SANCTI PETRI SUB PIO PATRE HILDEBALDO SCRIPTUS - Codex des hl. Petrus, unter dem frommen Vater Hildebald geschrieben -, der in Dom Hs. 65 möglicherweise mit dem Vorsatzblatt verloren ging. Die Codices wurden also vermutlich von dem Erzbischof in Chelles in Auftrag gegeben, der engen Kontakt zum Hof Karls des Großen pflegte.
Zustand und Zusammensetzung
Schrift und Hände
Lateinischer Text in brauner und schwarzer karolingischer Minuskel, rubriziert; Auszeichnungsschrift: Uncialis, Capitalis Quadrata und Rustica; 105v Ende der 14. Lage mit Schreibervermerk Vera scripsit; 183v Schreibervermerk Agnes scripsit.
Buchschmuck
- Zwei- und mehrzeilige mehrfarbige Initialen in Grün, Dunkelbraun, Gelb, Minium und Violett mit Miniumkontur zu Beginn jeder Predigt, bisweilen auch zu Beginn des Psalmentextes; zu Beginn der Handschrift große Hohlkapitalen mit Flecht- und Schlangenband-, vegetabiler sowie Fischornamentik. (Vgl. Dom Hss. 65 und 67)
Einband
Einband: Pergament mit Streicheisenlinien über Pappe (Mitte 18. Jh.).
Geschichte der Handschrift
Inhaltsangabe
- 1r Hildebaldvermerk.
- 1v Federprobe BEATUS VENTUS QUI TE PORTAVIT XPISTE .
- 2r Inhaltsbezeichnung; Besitzvermerk des Kölner Doms; drei Federproben, von denen zwei rasiert sind, u.a. pastis visceribus ciboque sumto .
- 2v Ps 101, en. 1 Incipit: IN NOMINE DOMINI NOSTRI IESU CHRISTI INCIPIT EXPOSITIO PSALMI CENTESIMI PRIMI. E(cce unus pauper) .
- 3v En. 1,3 Incipit: EXAUDI DOMINE ORATIONEM H(oc est exaudi) .
- 8v Incipit: INCIPIT SERMO SECUNDUS de eodem psalmo. h(esterno die).
- 14r Ps 102 Incipit: INCIPIT DE PSALMO CII. In omni munere I(n omni eius consolatione) .
- 24r Ps 103.
- 36r Sermo III.
- 46r Sermo IV.
- 52v Ps 104.
- 60v Ps 105.
- 68r Ps 106.
- 74r Ps 107.
- 75r Ps 108.
- 82v Ps 109.
- 91v Ps 110.
- 93v Ps 111.
- 95v Ps 112.
- 97v Ps 113.
- 100v Sermo II.
- 103v Ps 114.
- 105v Ende der 14. Lage mit Schreibervermerk Vera scripsit .
- 106r Ps 115.
- 108r Ps 116.
- 108v Ps 117.
- 112r Ps 118.
- 129v Ps 119.
- 130v Ps 120.
- 131v Ps 121.
- 133r Ps 122.
- 134r Ps 123.
- 134v Ps 124.
- 135v Ps 125.
- 137v Ps 126.
- 139v Ps 127.
- 140v Ps 128.
- 141v Ps 129.
- 143r Ps 130.
- 144v Ps 131.
- 146v Ps 132.
- 147v Ps 133.
- 148r Ps 134.
- 150v Ps 135.
- 152r Ps 136.
- 154r Ps 137.
- 156v Ps 138.
- 159r Ps 139.
- 161v Ps 140.
- 163v Ps 141.
- 165r Ps 142.
- 166r Ps 143.
- 169r Ps 144.
- 171v Ps 145.
- 173v Ps 146.
- 175r Ps 147.
- 178v Ps 148.
- 180v Ps 149.
- 181v Ps 150.
- 183r Kolophon Deo gratias .
Bibliographie
- Hartzheim 1752, S. 34ff.
- Jaffé/Wattenbach 1874, S. 21ff.
- Decker 1895, S. 225, 233, Nr. 28
- A. Chroust 1909, Ser. 2,1, Liefg. 6, Taf.10
- Zimmermann 1916, S. 13, 78, 84, 219f., Taf.141
- Jones 1929, S. 52ff., 59f.
- CLA VIII 1959, Nr.1152
- und VI 1953, S.XXII
- Karl der Grosse 1965, S. 212, Nr. 369
- Bischoff 1966, S. 16ff.
- Jones 1971, S. 53ff., Nr. 15-17
- U. Ziegler, Das Sacramentarium Gelasianum Bibl. Vat. Reg. lat. 316 und die Schule von Chelles, in: AGB 16 (1976), Sp. 1ff.
- Die Bajuwaren. Von Severin bis Tassilo 488-788, Ausst.Kat. München 1988, S. 451
- F. Mütherich/A Weiner, Illuminierte Handschriften der Agilolfinger- und frühen Karolingerzeit, München 1989 (Ausst. Kataloge der Prähistorischen Staatssammlung, hg. von H. Dannheimer, 16), S. 60, Nr. 39
- Handschriftencensus 1993, S. 608ff., Nr. 1023, 1025, 1027
- Collegeville 1995, S. 107ff.
Quellenangabe
- Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung, München 1998, S. 75-80 (Alexander Arweiler)