Beschreibung von Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 35
Bibliographische Beschreibung
Überblickbeschreibung
Hieronymus: Briefe
Hieronymus (347/348-419/420), dessen Hauptwerke die große Bibelübersetzung und zahlreiche Kommentare zu biblischen Schriften bilden, hat auch eine ganze Anzahl von Briefen verfaßt, die ein vielfältiges Bild nicht nur der Person des großen Gelehrten, sondern auch seiner Umgebung und des gesellschaftlichen Lebens zu Beginn des 5. Jahrhunderts vermitteln. Obwohl Fragen der Exegese auch in den Briefen eine wichtige Rolle spielen, fehlen doch nicht praktische Ratschläge zur Lebensgestaltung an seine adeligen Freundinnen aus der römischen Oberschicht, Überlegungen zur Askese, die berühmte theoretische Abhandlung über die richtige Weise des Übersetzens, Anweisungen zur Erziehung eines jungen Mädchens usw. Das zeitweise äußerst gespannte Verhältnis der beiden ebenso maßgeblichen wie eigensinnigen Theologen ihrer Zeit, Hieronymus und Augustinus (354-430), dokumentiert der besonders von Hieronymus' Seite aus zum Teil sehr scharf formulierte Briefwechsel der beiden. Neben weiteren Texten anderer Autoren - vor allem den Themen Selbsterkenntnis und Ermahnung zu tugendhaftem Leben gewidmet - bietet der Codex auch eine Reihe von Predigten des Caesarius von Arles, der vierzig Jahre lang (502-542) als Bischof nicht zuletzt kirchenpolitisch Bedeutendes geleistet hat und für seine Redekunst von der Nachwelt hochgeschätzt wurde.
Der Codex scheint aus einer umfassenderen Sammlung von Briefen abgeschrieben zu sein, da auf Folio 1r der Text mit einem rubrizierten Titel ad eundem de syraphim beginnt, also mit der typischen Formulierung für ein zweites Schreiben an einen bereits genannten Empfänger. Eine ganze Reihe von Schreibern arbeitete hier in verschiedenen Typen einer frühen karolingischen Minuskel nebeneinander. Folio 1-224 stammen im wesentlichen von einer Hand und wurden frühzeitig um fünf Lagen (225r-265v) erweitert; offenbar hatte man eine Fortsetzung von Beginn an geplant. Einiges Interesse verdient der Codex auch wegen der vielen lateinischen Erklärungen, die abweichend von der üblichen Tintenschrift mit einem Griffel in das Pergament eingeritzt worden sind (z.B. Fol. 14r, 16v usw.; vgl. Bischoff 1966).
Der Codex entstammt der Salzburger Schreibschule vom Ende des 8. Jahrhunderts, wahrscheinlich aus jener Zeit, als Arn Erzbischof von Salzburg war (785/798-821) (vgl.
CLA VIII 1959, Nr. 1146). Wahrscheinlich gelangte er durch Vermittlung von Erzbischof Hildebald (vor 787-818) nach Köln, denn das in der Nähe von Salzburg gelegene Kloster Mondsee wurde ihm 803 unterstellt (vgl. Bischoff II 1980, S. 9).
Autor des Textes: Alexander Arweiler
Zustand und Zusammensetzung
Schrift und Hände
Lateinischer Text in braun-schwarzer karolingischer Minuskel, rubriziert; Auszeichnungsschrift: Uncialis und Capitalis;
Buchschmuck
- Zwei- und mehrzeilige Initialen in Tinte und Hohlkapitalen mit Minium-Füllung, beide z.T. mit reduzierter vegetabiler Ornamentik oder Umrandung durch rote Punkte (183r).
Einband
Pergament mit Streicheisenlinien über Pappe (Mitte 18. Jh.).
Geschichte der Handschrift
Inhaltsangabe
-
1r-145v
Briefe des Hieronymus (
CSEL 54-56
) in der Reihenfolge Nr. 18, 20, 15, 16, 18, 21, 14, 52, 53, 58, 55, 60, 101, 102, 103, 111, 110, 56, 105, 67, 104, 112, 70, 6, 8, 9, 12, 73, 125, 118 (
PL 30, Epist. suppl. 42
), 69, 109, 13, 54, 79, 57, 38, 39, 23, 24, 64, 27, 40, 45, 4, 5, 17, 124, 77 (
PL 30, Epist. suppl. 39).
- 1r Is 6,2-9 Incipit: S(ex ale uni et sex ale alteri); Brief 18 Incipit: E(t factum est in anno) .
- 29v Leer.
- 108v Leer.
- 145v Vier Zeilen mit rubriziertem Titel Incipit: Beatus Hieronimus in sententiis generalibus ait. T(errenae omnia servando) (Zitate aus Gregor d.Gr., Moralia in Iob, und Hieronymus, In Jonam).
- 145v-146v Titel: Predigt des Pseudo-Augustinus (?) zum Paulusbrief an Timotheus Incipit: M(odo cum divina) (vielleicht Bearbeitung von Sermo 177 des Augustinus, vgl. CCL 104, 975f. , und Sermo 36, CCL 41, 434-443).
- 193r Autor: Paschasius Titel: Brief an den Abt Martinus Incipit: D(omino venerabili) (Prolog; vgl. PL 73, 1026).
- 198r-199r Titel: Anonymer Text (Homilie?) über die Selbsterkenntnis des Menschen Incipit: Incipiunt sacre sententie Teudoni. P(erfectus homo est qui se ipsum cognoverit) (vgl. Collegeville 1995, S. 60).
- 199r-201r Titel: Anonymer Text Incipit: Item de carnis superbiae. A(d te manum meam extendo quem sentio) (vgl. PL 99, 274-78; PL 40, 1074-76).
- 201r-203v Titel: Brief über einen Büßer Incipit: A(d te surgo hominem) (Pelagius, Pseudo-Hieronymus; PL 30, 242A-245A).
- 215r-224r Autor: Ambrosius Autpertus Titel: Predigt zum Marienfest Incipit: S(i subtiliter a fidelibus) (CCM 27B, 985-1002).
- 224r Autor: Hrabanus Maurus Titel: Hymnus zur Geburt Christi Incipit: G(ratuletur omnis caro) (PL 112, 1658).
-
225r-250v
Titel: Predigten des Caesarius von Arles und Pseudo-Caesarius
(CCL 103 u. 104;
s.
Collegeville 1995, S. 61f.
) Nr. 4, 6 (
PL 67, 1056 C
) und
Autor: (Pseudo?-)Eucherius Lugdunensis
(PL 50, 841B
), 7-10, 233, 235-236, 234 Kap. 1-3, 155-156,
Autor: Eucherius Lugdunensis
Titel: Predigt 3
, und
Autor: Faustus Rhegiensis
Titel: Predigt 7
(PL 50, 836C/PL 58, 883C
), homilia ined. (
CCL 104, S. 989
), 11.
- 225r Predigt 4 Incipit: I(nter reliquas beatitudines) .
Bibliographie
- Hartzheim 1752, S. 24, 31, 45
- Jaffé/Wattenbach 1874, S. 11f., 105f.
- Decker 1895, S. 226, 243, Nr. 73
- Frenken 1923, S. 54
- CLA VIII 1959, Nr.1146
- Bischoff 1966, S. 90
- Bischoff II 1980 , S. 93f., Nr. 22
- G. Morin, Sancti Caesarii Arelatensis Sermones, Turnhout 1953 (CCL 104), S. 975f.
- Handschriftencensus 1993, S. 592f., Nr. 996
- Collegeville 1995, S. 58ff.
Quellenangabe
- Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung. München 1998. S. 92-93 (Alexander Arweiler)[Digitaler Volltext]