Exodus cum glossis (Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 4)
Bibliographische Beschreibung
Überblickbeschreibung
Exodus mit Glossen
Blättert man in dem glossierten Exodus, dem zweiten der fünf Bücher Mose, fällt auf, wie variabel der Schreiber das Dreispaltenschema genutzt hat, um den Haupttext mit den Glossen in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Entsprechend der zwischen 30 und 135mm schwankenden Breite der mittleren Kolumne gewann er Raum auch für besonders lange Kommentare. Diese zog er am Ende der Seite zuweilen L-förmig in die mittlere Spalte hinein - ein eher altertümliches Verfahren -, oder er führte sie in der nächsten Kolumne zu Ende. Öfters verwendete er am oberen Rand auch die Hauptspalte zusätzlich für die Marginalglosse, so daß der Bibeltext erst in der Seitenmitte einsetzt. Durch Teilung der Glossenspalten konnte er den stets mit einem Paragraphenzeichen versehenen Beginn möglichst nahe an das Bezugswort setzen. Umfangreichere Interlinearglossen, für die der Platz zwischen den in der Regel auf jeder zweiten Linie stehenden biblischen Worten nicht ausreicht, sind in die seitliche Spalte hinübergezogen.
Die Ausstattung des Codex beschränkt sich auf einzeilige Initialen, abwechselnd in Rot, Blau und Ocker, und die als einzige künstlerisch hervorgehobene Eingangsseite. Derselbe Farbdreiklang bestimmt hier das Zusammenspiel von Ziermajuskeln und Initialbuchstaben. Die Wirkung dieser sogenannten Silhouetteninitiale beruht auf dem Kontrast der Farben und der ganz ins Zweidimensionale aufgelösten Bewegung der Ranken, die ein vom Schriftzeichen weitgehend eigenständiges Leben führen. Während des 12. Jahrhunderts entwickelten einzelne Skriptorien vor allem in England und Frankreich solche letztlich von karolingischen Vorbildern herzuleitenden Arabeskeninitialen mit jeweils charakteristischen Varianten (J.J.G. Alexander, in: M.B. Parkes/A.G. Watson [Hgg.], Medieval scribes, manuscripts and libraries, London 1978, S. 87ff.; P. Stirnemann, in: Revue de l'art 90 [1990], S. 58ff.). In Glossenhandschriften begegnen sie als beliebte, wahrscheinlich vom Schreiber selbst ausgeführte Zierbuchstaben. Auch im Kölner Exodus-Manuskript dürften - in einem zweiten Arbeitsgang - die farbigen Majuskeln und mit ihnen die Eingangsinitialgruppe von der Hand des Schreibers oder eines spezialisierten Miniators eingefügt worden sein. Die Verwandtschaft zu gleichzeitigen frühen Fleuronnée-Initialen, als deren Vorläufer die Silhouetteninitialen gelten, kommt durch den blau-rot geteilten Stamm des Buchstabens und den konturbegleitenden Bogendekor recht deutlich zum Ausdruck.
Überblickbeschreibung aus: Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung, München 1998, 230-232 (Beate Braun-Niehr)
Bibliographie
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