Breviarum Franconicum (Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 215)
Bibliographische Beschreibung
Überblickbeschreibung
Breviarum Franconicum
Das Brevier enthält mit der Zusammenstellung von Antiphonen und Hymnen sowie den Psalmen mit Cantica und Orationen eine Sammlung liturgischer Gesänge und Texte des Stundengebets in einer Benediktinerabtei. Das Schriftbild und die in Minium gezeichneten Initialen, von denen nur die erste (11r) zusätzlich in Deckfarben ausgeführt ist, weisen auf eine Entstehung wohl noch vor der Mitte des 12. Jahrhunderts. Die mit hellerer Tinte ausgeführte und wohl nachgetragene Neumierung hat die musikwissenschaftliche Forschung ins späte 12. Jahrhundert datiert und als ein wichtiges Zeugnis des Übergangs von der adiastematischen zur diastematischen Notation mit der graphischen Unterscheidung von Tonabständen nach Höhe und Tiefe erkannt. Die "in campo aperto", das heißt ohne Linien geschriebenen Neumen, die nicht die exakten Tonhöhen oder den Rhythmus, sondern den ungefähren Verlauf der Melodie wiedergeben, entsprechen offenbar alemannischer Tradition, wie sie in älteren Handschriften aus St. Gallen überliefert sind. Darüber hinaus enthält unser Codex (209v-212r) ein nachgetragenes Tonar oder Tonale aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts mit einer Sammlung von Choralgesängen, die nicht nach ihrer Stellung im Kirchenjahr, sondern nach den acht Kirchentönen angeordnet sind, und deren Neumierung auf Linien der Metzer Tradition folgt.
Entsprechend einem Eintrag des 14. Jahrhunderts (206r), der sich auf Erzbischof Wilhelm von Gennep (1349-1362) bezieht, befand sich die Handschrift zu dieser Zeit bereits in Köln. Gleichzeitig mit diesem Eintrag wurde das Kalendar mit in Köln verehrten Heiligen bereichert. Als älteste Teile der Handschrift sind die drei Miniaturen anzusehen, die als Außenblätter einer Lage in den später entstandenen Text eingepaßt wurden. Peter Bloch hat ihre vorrangig in Rot und Grün leuchtende Farbigkeit, die in dichten Fältelungen gemusterten Gewänder wie auch die Architekturprospekte mit maasländischer Buchmalerei in Verbindung gebracht, wie sie beispielsweise auf dem Autorenbild im Kommentar zu den Paulusbriefen des Florus von Lyon, Ms.9369-9370 der Bibliothèque Royale in Brüssel, überliefert ist (Rhein und Maas I 1972, S. 228, Nr.F21); dieser aus Saint-Laurent in Lüttich stammende Codex dürfte dort im 3. Viertel des 11. Jahrhunderts entstanden sein. Andererseits erkannte Bloch auch stilistische Zusammenhänge zu Handschriften wie dem Evangeliar theol. lat. fol.18 der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin, das - mit mosanen Einflüssen - im weiteren Umkreis der Fuldaer Buchmalerei in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts entstanden sein wird. Die Nennung des hl. Burchard, des ersten Bischofs von Würzburg, und der dort ebenfalls verehrten Jungfrau Regiswindis im Kalendar sowie die mit einer Initiale hervorgehobenen Gesänge zum Fest des hl. Kilian (119r), des ebendort besonders verehrten Missionars, dessen Fest auch im Kalender aufgenommen ist, legen den Gebrauch unserer Handschrift in der Diözese Würzburg nahe. Ob sie dort bzw. im Umkreis der Fuldaer Buchmalerei auch geschrieben und unter Verwendung älterer Miniaturen des Abendmahls, einer nicht vollendeten Christusszene und des Ostergeschehens zu einem ungewöhnlich bebilderten Gesangbuch für das Stundengebet eines Benediktiners gestaltet worden ist, läßt sich unter anderem aufgrund der nur spärlich überlieferten Würzburger Buchmalerei dieser Zeit nicht entscheiden.
Überblickbeschreibung aus: Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung, München 1998, S. 414-415 (Joachim M. Plotzek)
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