Epistolae Pauli cum glossa Anselmi Laudunensis (Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 25)
Bibliographische Beschreibung
Überblickbeschreibung
Paulusbriefe mit Glossen
Der Erfolg der Bibelglossen-Handschriften zeigt sich unter anderem darin, daß es schon bald außerhalb Frankreichs das Bedürfnis gab, sich diese wichtigen Texte zu besorgen. Konnte oder wollte man nicht etwa in Paris ein Exemplar erwerben, wo auch Luxusausgaben für hochgestellte Persönlichkeiten geschaffen wurden, blieb die Möglichkeit, den Text selbst zu kopieren. Dom Hs. 25, die mit einer extrem schmalen inneren Glossenspalte bei kaum veränderter Breite der mittleren Kolumne eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber den französischen Vorbildern verrät, ist auch aufgrund ihrer Schrift als Arbeit eines deutschen Skriptoriums zu erkennen. Das Zusammenwirken von Schreiber und Maler in einer solchen Werkstattgemeinschaft läßt sich hier gut studieren. Achtet man auf den jeweils für die Initialen ausgesparten Raum, wird sofort deutlich, daß der Buchmaler diese Vorgaben nicht immer umzusetzen gewillt war. So wirkt auf Folio 52v das nur farbig betonte P(aulus) nicht recht am Platze, es stößt an den Glossentext an, füllt andererseits die für die Rundung vorgesehene Fläche nicht aus. Bei der Initiale auf Folio 29r spürt man, daß der Schreiber offensichtlich eine etwas andere Vorstellung von dem hier einzufügenden Buchstaben gehabt hat. Umso gelungener hat der Miniator dagegen auf Folio 1v die von Bibeltext und Glossen umschriebene Rundung des Buchstabenfußes als Anregung für eine wirklich originelle Lösung genutzt.
Die Federzeichnungsinitialen mit sog. Knollenranken, Ecktüten und biegsamen Drachen an Stelle von Buchstabenteilen erinnern auf den ersten Blick an die in Südwestdeutschland (Zwiefalten, Weingarten, Schaffhausen) ausgebildete und durch die Hirsauer Klosterreform verbreitete Initialornamentik. Das markante, ganz en face gezeichnete Gesicht, das auf Folio 1v den Bogenansatz mit dem Schaft verklammert, kann geradezu als ein Merkmal Zwiefaltner Zierbuchstaben gelten (S.von Borries-Schulten, Die romanischen Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, Stuttgart 1987, Nr. 61-63). In den Jahren vor und nach der Mitte des Jahrhunderts entstanden dort Handschriften, bei denen Blau und Grün neben die für die Federzeichnung bisher fast ausschließlich gebräuchlichen Farben Rot und Schwarz treten. Doch wird man zögern, Dom Hs. 25 hier direkt anzuschließen, weil durchaus Unterschiede in Details wie etwa der Gestaltung der Drachenkörper, der Blätter oder der im Paulus-Codex dichteren Rankenspiralen bestehen.
Mit aller Vorsicht sei daher auf die Bibel aus Springiersbach (Bernkastel-Cues, Bibl. des Cusanusstiftes, Hs. 8) verwiesen, die wohl bald nach der Mitte des 12. Jahrhunderts in Trier entstanden sein mag (Schatzkunst Trier, Ausst.Kat. Trier 1984, Nr. 60). Ein an der Ausstattung mit rot-grünen Rankeninitialen beteiligter Künstler verwendete ähnlich gestaltete Blätter. Andererseits sind wohl auch hier bei den Initialen zu den Büchern Josua und 2 Samuel die als Rankenhalter fungierenden menschlichen Figuren und die umeinandergewundenen Leiber von Fabeltieren direkt von Zwiefaltner Handschriften der Zeit um 1140 bis 1160 herzuleiten. Zwar müssen wir einstweilen die Frage nach den konkreten Vorbildern solcher Zierbuchstaben und ihrer Vermittlung - etwa über Zentren am Mittelrhein - offen lassen, doch darf man für Dom Hs. 25 an einen Entstehungsort mit vergleichbarer Vorlagensituation denken. Vielleicht sollte bei der Suche nach einer Lösung auch die Bibel aus dem Trierer Simeonsstift (Trier, Stadtbibl., Hs. 2/1675 und 1676) einbezogen werden, wo die Figureninitialen gleichfalls für die Kenntnis schwäbischer Initialornamentik sprechen (F.J. Ronig, in: Kurtrierisches Jahrbuch 24 [1984], S. 53ff.).
Überblickbeschreibung aus: Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung, München 1998, S. 234-236 (Beate Braun-Niehr)
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