Makkabäer-Handschrift des Helias Mertz (Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 271)
Bibliographische Beschreibung
Überblickbeschreibung
Makkabäer-Handschrift des Helias Mertz
Mit der Bibliothek des Erzbischofs Ferdinand August Graf von Spiegel (1824-35) kam eine 1525 angefertigte Handschrift aus dem 1803 aufgelösten Kölner Benediktinerinnenkloster zu den Hl. Makkabäern in die Dombibliothek. Sie enthält Texte zum Lobpreis der sieben Makkabäischen Brüder und ihrer Mutter Salomone sowie zu Geschichte und Bedeutung ihrer Gebeine. Diese schon als jüdische Heilige verehrten Märtyrer hatten sich in der Zeit der jüdischen Freiheitskämpfe der Anweisung von König Antiochus IV. Epiphanes (gest. 164 v.Chr.) widersetzt, entgegen dem jüdischen Gesetz Schweinefleisch zu essen. Daraufhin wurden sie verstümmelt und in heißem Öl gesotten. Der Kult dieser seit dem 5. Jahrhundert verehrten christlichen Heiligen kann seit mindestens 1134 am Ort des späteren Makkabäer-Klosters in Köln nachgewiesen werden. Laut Heiligenlegende erhielt Rainald von Dassel (1159-1167) ihre Gebeine im Jahre 1164 zusammen mit denen der Hll. Drei Könige von Kaiser Barbarossa und ließ sie 1169 nach Köln bringen (vgl. von Euw 1963).
In der Entstehungszeit der Handschrift waren der ambitionierte Wiederaufbau und die kostbare Neuausstattung des 1462 durch Brand zerstörten Makkabäerklosters nahezu abgeschlossen, wodurch die Makkabäer im Kreis der bedeutenden Kölner Heiligen etabliert werden sollten. Initiator war der 1491 in sein Amt als Rektor und Beichtvater des Klosters eingesetzte, humanistisch gebildete Helias aus Mertz bei Düren (Helias Marcaeus de Luna). Die auf seine Kosten hergestellte Kompilation jener Dokumente, die die Authentizität des Kultes belegten, sollte laut Mertz´ Testament an Feiertagen im kultischen Zentrum der Kirche, auf dem Hochaltar mit dem Makkabäerschrein, präsentiert werden (Hirner 1970; Grams-Thieme 1990, S. 101ff.). Indem Mertz in einer Zeit des bereits dominierenden Buchdrucks die Form des handgeschriebenen Pergamentcodex wählte, spielte er bewußt auf den physischen und spirituellen Charakter verehrungswürdiger Bücher an, vor allem auf Evangeliare, die ähnlich im Kirchenraum ausgestellt wurden. Darin unterschied sich Dom Hs. 271 grundlegend von den bereits 1507 und 1517 gedruckten deutschsprachigen Versionen der Makkabäerlegende, die auf eine möglichst breite Öffentlichkeit gezielt hatten. Eine verstärkte Popularisierung der Heiligen gelang Mertz offensichtlich spätestens 1514mit deren Darstellung auf den Titelblättern des 1514, 1520 und 1525 bei Wolfgang Hopyl (gest. 1522) in Paris gedruckten 'Missale Coloniense' (vgl. Dom Frühdruck 217, Kat.Nr.98). Zudem existiert von Dom Hs. 271 eine Papierabschrift des 16. Jahrhunderts, die heute in Paris aufbewahrt wird (Bibl. Nat., Lat. 10161; vgl. Rautenberg 1996, S. 231ff.; dies., in Vorbereitung).
Die Makkabäer-Handschrift enthält keine Hinweise auf Schreiber, Illuminator oder Lokalisierung. Eine Entstehung in einem klösterlichen Skriptorium ist aufgrund der Schrift (humanistische Minuskel) eher unwahrscheinlich. Der anonyme Schreiber tritt nur einmal auf Folio 7v in Erscheinung, wo er bezeugt, die für diesen Band verwendeten Dokumente persönlich in unverfälschtem Zustand gesehen und "im Jahr des Heils 1525" abgeschrieben zu haben. Mehrfach sind dagegen das redende Wappen des Helias Mertz (de Luna) mit der Mondsichel und Wappenschilder mit seinen Initialen eingefügt (39v, 119r, 144v). Hinzu kommt das Wappen von dem Werdener Abt Johannes von Groningen, dem Kommissar des Makkabäerklosters (2r). Beide zusammen stifteten auch die Tafeln eines zumeist Bartholomäus Bruyn d.Ä. zugeschriebenen Bilderzyklus für das Makkabäerkloster (Schmid 1994, S. 122f., 197ff., Abb. 39-45).
Die Miniatur mit dem Verhör der sieben Brüder und ihrer Mutter durch König Antiochus eröffnet das 2. Buch der Makkabäer, welches deren Martyrien schildert (3v). Die dem Bildschema der Schutzmantelheiligen folgende Darstellung von Salomone mit ihren Söhnen ist zwischen zwei Texte eingeschaltet (7v). Salomone mit ihren sieben skalpierten und verstümmelten Söhnen im Kessel schließt das 4. Makkabäerbuch ab (39v). Ähnlich textgliedernde Funktion erfüllen Zierfelder und Initialen. Alle drei Miniaturen gehören vermutlich zu den von Mertz motivierten Bildschöpfungen, von denen heute noch Teile des um 1512/15 datierten Bilderzyklus, die Holzschnittfolge der 1517 gedruckten Makkabäerlegende und die weitgehend darauf zurückgreifende Relieffolge des Makkabäerschreins (um 1520-27) zeugen. Das markanteste Bild mit den Makkabäern im Kessel erscheint hier wie im Titelblatt der Hopyl-Missalien in einer unblutigeren Variante, bei der die Brüder die Hände betend gefaltet haben, doch wurden durch eine Übermalung evtl. des 16. Jahrhunderts die Hände in Armstümpfe verändert. Zwei gleichzeitig entstandene Tüchleinbilder zeigen dagegen von vornherein die Märtyrer mit den abgeschlagenen Händen (Köln, Diözesanmuseum, Inv.Nr.M26; Köln, Schnütgenmuseum, Inv.Nr.M 222; vgl. Schulte 1995, S. 150ff.).
Überblickbeschreibung aus: Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung, München 1998, S. 534-537 (Johanna C. Gummlich)
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