Johannes Diaconus. Paterius (Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 96)
Bibliographische Beschreibung
Überblickbeschreibung
Johannes Diaconus: Vita Gregors des Großen; Paterius: Aus den Schriften Gregors
Bereits zu Beginn des 8.Jahrhunderts, in den Jahren 704/714, hatte ein anonym gebliebener Autor für das englische Benediktinerinnenkloster Whitby eine Vita des hl. Papstes Gregor verfaßt, die in ihrem schwerfälligem Latein nur eine geringe Verbreitung erfuhr und lediglich im St. Galler Codex 567 erhalten blieb (W. Berschin, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter II, Stuttgart 1988, S. 261ff.). Dieser ersten, sehr kurzen und im anekdotenhaften verbliebenen Vita aus der Feder eines Angelsachsen folgte in der 2. Hälfte des 8.Jahrhunderts die 'Vita beatissimi Gregorii papae urbis Romae' des Langobarden Paulus Diaconus (720/730-um 799), der bei der Schilderung Gregors große Passagen der 'Historia ecclesiastica' von Beda (673/674-735) sowie aus dem 10. Kapitel der 'Historiae' Gregors von Tours (538/539-nach 593) übernahm. Wiederum 100 Jahre später, 873, beauftragte Papst Johannes VIII. (872-882) seinen Historiker Johannes Diaconus (825-880/882) mit der Abfassung einer repräsentativen Vita des Gregorius. So schreibt Johannes in der Einleitung, er habe diesen Auftrag von Papst Johannes VIII. wenige Tage nach der Vigil des Gregorfestes am 11. März 873 erhalten; genau ein Jahr später billigte der Papst - wiederum bei der Vigilfeier - das erste Buch der Vita und drängte auf Fertigstellung der drei weiteren Kapitel. Wann genau die Gregoriusvita des Johannes Diaconus abgeschlossen war, wissen wir nicht - vielleicht 876. Trotz ihres gewaltigen Umfangs ist die Vita ein Klassiker der Biographie im Mittelalter geworden; die Rezeption hat sofort eingesetzt (Berschin, Biographie und Epochenstil III, Stuttgart 1991, S. 385). Gleich an den Beginn (1v) ist das 'Carmen ad Johannem VIII. papam' gestellt, das in den meisten anderen Handschriften den Schluß bildet; berühmt sind daraus die mahnenden Verse an den Schreiber Redde vicem, scriptor, servans cola, commata, puncta/Ne tua mendosum pagina servet opus - So gib auch du, Schreiber, deinen Teil dazu, indem du die Versglieder, die Kommata und Punkte beachtest,/damit deine Seite nicht ein fehlerhaftes Werk bewahre. Den zweiten Teil des Bandes bildet die Blütenlese des Paterius aus den Schriften Gregors zum Alten Testament, und zwar die Kapitel II bis V. Paterius war zunächst Schüler, dann Notar und juristischer Mitarbeiter Gregors. Um 595-600 kompilierte er diese in über hundert Handschriften des 8. bis 15.Jahrhunderts erhaltene Auswahl. Die Kölner Dombibliothek besitzt den Text in zwei weiteren Handschriften: Dom Hs. 82 aus dem 8. und Dom Hs. 97 aus dem 9.Jahrhundert. Der Buchschmuck von Dom Hs. 96 beschränkt sich auf fünf kolorierte Initialen, die keine Zuordnung des Codex an ein bestimmtes Skriptorium erlauben. Schrift und Initialstil verweisen allgemein auf eine Entstehung der Handschrift in Süddeutschland im 11.Jahrhundert.
Überblickbeschreibung aus: Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung, München 1998, S. 207-208 (Hans-Walter Stork)
Bibliographie
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