Gregorius IX papa: Decretales (Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 130)
Bibliographische Beschreibung
Überblickbeschreibung
Gregor IX.: Decretales
Bei den 'Decretales' Papst Gregors IX. (1227-1241) handelt es sich - anders als beim 'Decretum Gratiani' (s. Dom Hss. 127 und 128, Kat.Nrn.55, 56) - um eine offizielle Sammlung kirchlicher Rechtstexte, die ebenfalls Bestandteil des 'Corpus Iuris Canonici' wird. In fünf Büchern sind darin vor allem päpstliche Antwortschreiben an Einzelpersonen in Rechts- und Disziplinfragen sog. 'epistolae decretales', aber auch Konzilsdekrete systematisch nach Titeln geordnet. Auf Wunsch des Papstes durch Raymund von Peñafort (gest. 1275), seinen Pönitentiar, kompiliert und mit Blick auf die Brauchbarkeit in der gerichtlichen Praxis redigiert, wurde das Werk 1234 an die Universitäten Bologna und Paris gesandt und damit veröffentlicht. Enthalten sind auch einige Bestimmungen, die Gregor IX. eigens für die Aufnahme in die neue Sammlung erlassen hatte. In der Promulgationsbulle brachte der Papst seinen Wunsch zum Ausdruck, daß die Rechtsunsicherheit, die damals aufgrund verschiedener älterer, nebeneinander existierender Decretalesüberlieferungen bestand, nun ein Ende haben solle.
Da hier überwiegend Quellenmaterial zusammengefaßt ist, das nach dem Erscheinen des 'Decretum Gratiani' aus der päpstlichen Rechtsprechung hervorgegangen war, setzte sich als Titel des Werks die Bezeichnung 'Liber decretalium extra decretum vagantium' durch, in den Schulen bald - und so noch heute - einfach als 'Liber Extra' zitiert. Hatten schon die Kanonisten im späten 12. und dem 1. Viertel des 13.Jahrhunderts die seit Alexander III. (1159-1181) stark angewachsene Zahl von Papstbriefen in insgesamt fünf 'Compilationes antiquae' vereint und sogar im Unterricht erläutert und kommentiert, so erfuhren nun die 'Decretales' Gregors IX. eigene wissenschaftliche Bearbeitung. Gestützt auf Werke der Dekretalisten zu den älteren Sammlungen verfaßte Bernardus de Botone (gest. 1266), Lehrer für kanonisches Recht in Bologna, zwischen 1234 und 1266 in mindestens vier Rezensionen einen Glossenapparat, der den Rang einer 'Glossa ordinaria' erlangte und in die frühen Drucke des 'Liber Extra' aufgenommen wurde (vgl. S. Kuttner, Studies in the History of Medieval Canon Law, 1990, Kap. XII-XIV; vgl. Inc.d. 205, Kat.Nr.58).
Ähnlich, wie sich für die glossierten Bibelhandschriften mit der Zeit ein eigenes Layout herausgebildet hat, bemühten sich die Schreiber, auch bei den juristischen Werken Text und Kommentar in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Der von ihnen entwickelte Vier-Spalten-Typ ordnet den in größeren Buchstaben geschriebenen Haupttext in zwei Spalten auf der Mitte der Seite an. Diesen klammerartig umgreifend, finden die in kleinerem Schriftgrad ausgeführten Glossen auf den relativ breiten Rändern Platz. Obwohl eine solche Seitengestaltung - soll sie auch optisch befriedigen - eine sorgfältige Aufteilung von Text und Glossen verlangte, wurde sie nach dem Vorbild der Handschriften später von den frühen Drucken übernommen (G. Powitz, in: Codices manuscripti 5 [1979], S. 80ff.; vgl. Inc.d. 205, Kat.Nr.58).
Eingeleitet wird der Text in Dom Hs. 130 durch eine Deckfarbeninitiale zur Promulgationsbulle Gregors IX. an die "Doktoren und Scholaren" der Universität Bologna, die dem 1. Buch vorangestellt ist. Wie schon die Schrift des Codex mit ihren gegenüber den nordalpinen Texturavarianten stärker gerundeten Formen weist auch der Zierbuchstabe auf eine Entstehung in Italien, vielleicht sogar in Bologna selbst. Die Buchmalerei in der Stadt mit der berühmten Rechtsschule stand in der 2. Hälfte des 13.Jahrhunderts einerseits unter byzantinischen Einflüssen, andererseits werden in den grotesken Motiven der Initialornamentik französische Anregungen wirksam. Bei der originellen Zierleiste mit der kleinen Zeigefigur läßt sich in den 'Decretales' der Kölner Dombibliothek das Zusammenspiel von Schreiber und Miniator gut beobachten. Begonnen wurde mit dem Haupttext, dann hat der Buchmaler Initiale und Leiste ausgeführt, noch bevor die Glossen geschrieben wurden, die dann partiell über das Ornament zu stehen kamen. Allerdings dürften im übrigen Text die Auszeichnungselemente wie Paragraphenzeichen und Fleuronnée-Buchstaben erst nachträglich eingefügt worden sein.
Überblickbeschreibung aus: Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung, München 1998, S. 270-272 (Beate Braun-Niehr)
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