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Graduale (Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 1519)

Bibliographische Beschreibung

Sammeltitel
Graduale
Entstehungsort
Köln, Groß St. Martin
Entstehungszeit
um 1500
Beschreibstoff
Pergament
Umfang
298 Blätter
Format
531 mm x 375 mm
Persistenter Identifier
urn:nbn:de:hbz:kn28-3-40 Persistent Identifier (URN)
Weitere Angaben
Land
Deutschland
Ort
Köln
Sammlung
Diözesanbibliothek
Signatur
Cod. 1519
Katalogsignatur
Handschriftencensus Rheinland: 1315
Schulten-1978: 185

Überblickbeschreibung

Graduale

Das Graduale wurde laut Kolophon (Schlußnotiz; p. 96) im Jahr 1500 von dem Mönch Heinrich von Zonsbeck in der Benediktinerabtei Groß St. Martin zur Zeit und vermutlich auch im Auftrag des amtierenden Abtes Heinrich von Lippe (1499-1505) für den Gebrauch im Hochchor der eigenen Klosterkirche geschrieben. Dort wurde es, erkennbar an der umfangreichen Anpassung an den römischen Ritus durch Isaac Elaudt im Jahr 1655, längere Zeit genutzt. Die Bestimmung dieses Graduales für ein Benediktinerkloster wird auch durch die Auswahl der Alleluia-Verse bestätigt, die mit denen der Bursfelder Kongregation übereinstimmen. Den Wappen der Stadt Köln und von Jülich-Geldern auf dem Fußsteg der ersten Seite entnahm Korteweg, daß ein Mitglied aus dem Geschlecht Jülich-Geldern diese Buchproduktion finanziert habe (Broekhuijsen/Korteweg 1989).

Zur besseren Lesbarkeit sind die Textanfänge mit drei verschiedenen Arten von Initialen versehen: einfache rote oder blaue Lombarden (Initialmajuskeln) für 'Graduale', 'Offertorium' und 'Communio', schwarze Cadellen (Großbuchstaben) für die Lesungstexte, rote oder blaue Fleuronnée-Initialen mit Ausläufern am Kolumnenrand für die 'Introitus'-Texte. Heinrich von Zonsbeck fertigte vielleicht auch die Federzeichnung der verzierten Lombarden und Cadellen an, die denen eines im Jahr 1501 von ihm geschriebenen Missales ( Diözesan Hs. 520) sehr ähnlich sind. Von diesen Schreiber- oder Rubrikator-Initialen unterscheiden sich die ornamentierten oder historisierten Initialen, welche die 'Introitus'-Gesänge der wichtigen Feste einleiten (Weihnachten, Epiphanie, Ostern usw.). Ikonographie und Auswahl entsprechen dem üblichen Buchschmuck eines Graduales. Die Himmelfahrt Mariens ist jedoch nicht zum entsprechenden Marienfest im 'Proprium de sanctis' dargestellt, sondern zum 'Introitus' der Jungfrauen im 'Commune sanctorum' ( 213r). Außergewöhnlich ist die Initialminiatur mit Maria und dem Jesuskind, das mit einem Rosenkranz spielt, zu Beginn des 'Commune' für die Marienfeste ( 256v). Sie ist auf die sich seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ausbreitende Rosenkranzverehrung zurückzuführen (vgl. Dom Hs. 151, Kat.Nr. 95). Ebenso untypisch für ein Graduale ist die Initialminiatur mit einem segnenden Jesuskind, das eine Weltkugel in der Hand hält, während dieses Motiv in der zeitgenössischen Druckgraphik beispielsweise für Neujahrswünsche sehr beliebt war ( 263v).

Diözesan Hs. 519 wurde von zwei stilistisch voneinander unabhängigen Illuminatoren verziert. Fünf der historisierten ( 131r, 133v, 139r, 140v, 213r) und vier der Ornamentinitialen ( 38v, 141v, 165v, 175r) schuf einer der "Schwarze-Augen-Meister" aus der sog. Marciana-Gruppe (vgl. auch Diözesan Hs. 117). Der aus unterschiedlichen Formen von Streublumenrahmen bestehende Randschmuck läßt auf Gent-Brügger Einfluß schließen. Der Stil dieses Meisters war Vorbild für den Illuminator der Kreuzherren-Handschriften Dom Hss. 221- 224 (Kat.Nr. 97), der aber in Ikonographie und Bildkomposition Kölner Traditionen und die Tafelmalerei vom Anfang des 16. Jahrhunderts rezipiert. Die übrigen sechs historisierten und sechs Astwerk- und Ornamentinitialen werden dem aus Utrecht stammenden Benediktinermönch aus Groß St. Martin, Johannes Ruysch, zugeschrieben. Über dessen Leben berichtet der Mönch Hubert Holthuisen: 1492 legte Ruysch sein Gelübde in Groß St. Martin ab. Viele Jahre später malte er in Rom für den Papst in dessen Palast. Er gab in Rom eine Weltkarte heraus, ging von Rom aus nach Portugal, wo er dem König als Astronom und Führer einer Flotte diente. Gegen Lebensende kehrte er nach Groß St. Martin zurück. Er nahm wegen seiner Körperschwäche nicht mehr am Klosterleben teil, sondern lebte in einem Kämmerchen südlich der Bibliothek, wo er 1533 starb (vgl. J.H. Kessel, Antiquitates monasterii s. Martini maioris Coloniensis, Köln 1862, S. 187ff.). Wenn Diözesan Hs. 519 wirklich das in Holthuisens Chronik genannte Graduale ist - die Identifizierung erfolgte erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts -, kann Ruysch als der Autor der großformatigen R(esurrexi) -Initiale mit der Auferstehung Christi angesehen werden. Stilistisch lassen sich seiner Hand auch einige der Initialminiaturen ( 1r, 17v, 20v, 263v [= p. 1]) sowie Astwerk- und Ornamentinitialen ( 110v, 179v, 189v, 206v, 208r, 220r) zuweisen.

Problematischer ist die Zuschreibung der Miniatur von Maria mit Kind und Rosenkranz ( 256v). Die Gesichter haben eine gewisse Ähnlichkeit mit den Darstellungen weiblicher Figuren in Dom Hs. 229 (Kat.Nr. 99) und Diözesan Hs. 521 (Kat.Nr. 100), die sich deutlich von Ruyschs Figurentypen unterscheiden. Trotz seiner Utrechter Herkunft ist Ruyschs schwer faßbarer Stil eher kölnisch. Er könnte die Buchmalerei in einem anderen Kölner Kloster erlernt haben, genauso wie Holthuisen, der zum Erlernen der 'Bastardica'-Schrift nach St. Pantaleon geschickt worden war und später in Gladbach unterrichtete. Das Zusammentreffen von nordniederländischen und eher kölnischen Stilelementen in einem in Groß St. Martin geschriebenen Codex lassen auf jeden Fall vermuten, daß zum Entstehungszeitpunkt der Handschrift dort noch kein eigener Illuminationsstil etabliert war. Die vielleicht zeitlich begrenzte Tätigkeit des "Schwarze-Augen-Meisters" in Köln könnte eine Bedarfslücke gefüllt haben.

Überblickbeschreibung aus: Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung, München 1998, S. 475-476 (Johanna C. Gummlich)

Impressum
Herausgeber
Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek Köln
Redaktion
Im Rahmen des DFG-Projekts CEEC bearbeitet von Patrick Sahle; Torsten Schaßan (2000-2004)
 
Bearbeitung im Rahmen des Projekts Migration der CEEC-Altdaten von Marcus Stark; Siegfried Schmidt; Harald Horst; Stefan Spengler; Patrick Dinger; Torsten Schaßan (2017-2019)
Ort
Köln
Datum
2018
URN
urn:nbn:de:hbz:kn28-3-40
PURL
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:kn28-3-40
Lizenzangaben

Die Bilder sind unter der Lizenz CC BY-NC 4.0 veröffentlicht

Diese Beschreibung und alle Metadaten sind unter der Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 veröffentlicht

Klassifikation