Beschreibung von Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 229
Bibliographische Beschreibung
Überblickbeschreibung
Graduale
Die laut Eintrag 1498 fertiggestellte Dom Hs. 229 kam als Stiftung zweier Mitglieder des Domkapitels in den Besitz des Kölner Domstifts (vgl. Dom Frühdruck 217, Kat. Nr. 98; Dom Hss. 221-225, Kat. Nr. 97). Beide Stifter gehörten zu den Edelkanonikern unter den Kölner Domherren, wenngleich zu zwei unterschiedlichen Generationen. Stephan I. von Bayern (geb. 1421) wurde am 9. September 1439 zur Präbende des verstorbenen Otto von Lippe nominiert (Ahnenprobe: März 1441; vgl. Kisky 1906). Er studierte in Heidelberg und Köln (H. Keussen, Die Matrikel der Universität Köln, Bd. III, Bonn 1931, 208,22), wurde Mainzer Domherr und ist ab Februar 1452 in Urkunden als Thesaurar des Kölner Doms erwähnt. Dieses Amt übernahm am 13. September 1481 Berthold von Henneberg; demnach hatte Stephan von Bayern entweder resigniert oder er war verstorben.
Johann II. von Reichenstein, Sohn Wilhelms und der Katharina Gräfin von Sayn-Wittgenstein (vgl. Kisky 1906), wurde am 28. Juli 1456 noch minderjährig von Subdekan Johann I. von Reichenstein zur Präbende des Eberhard von Catzenelnbogen nominiert (Ahnenprobe: 25. Mai 1459). Er war Domherr in Trier und Lüttich, studierte in Köln (Keussen 1931, 308,35) und übernahm 1490 das Amt des Scholasters sowie 1493 das des Subdekans am Kölner Dom. Am 20. November 1508 ernannte ihn Erzbischof Philipp von Köln zum Generalvikar (F. E. Frhr. von Mering, Die hohen Würdenträger der Erzdiözese Köln, Köln 1846, S. 60f.). Johann von Reichenstein starb 1511 und wurde im Chorumgang des Domes bestattet (J. W. C. A. Frhr. von Hüpsch, Epigrammatographie, Köln 1801, 2. Teil S. 33, Nr. 76; D´Hame, Historische Beschreibung der berühmten Hohen Erz-Domkirche zu Cöln am Rhein, Köln 1821, S. 266).
Der knappe Eintrag über die Stiftung zu Beginn des Graduales besagt, dieses solle zu Lob und Ehre Gottes und zur Zierde der Kirche dienen, außerdem dereinst Johann von Reichenstein und Stephan von Bayern sowie ihren Kollatoren und Wohltätern zum ewigen Heil gereichen. Rahmen, Umfang oder Zeitpunkt der Stiftung sind nicht erwähnt. Der wohl 1481 verstorbene Stephan von Bayern hat die Fertigstellung der Handschrift am 1. April 1498 nicht mehr erlebt. Vermutlich verfügte er gegen Ende seines Lebens zusammen mit Johann von Reichenstein diese Stiftung, deren Umsetzung dann Johanns Aufgabe gewesen sein dürfte. Auffällig ist die Zeitdifferenz von 15 bis 20 Jahren zwischen Stiftung und Fertigstellung der Handschrift.
Der Buchschmuck von Dom Hs. 229 besteht aus historisierten Initialen, Ornamentinitialen und zahlreichen Lombarden (Initialmajuskeln). Nach Fertigstellung des Textes legte der Schreiber oder ein Rubrikator - sofern hier nicht beide identisch waren - die einfachere Federzeichnung an den Lombarden an, um die einzelnen Seiten zu gliedern und Textanfänge zu markieren. Erst zum Schluß schuf der Illuminator die historisierten und ornamentierten Initialen sowie die Randverzierungen, mit denen die Proprien und die Hochfeste Weihnachten, Ostern und Pfingsten hervorgehoben sind.
Das zweigeteilte Binnenfeld der A-Initiale auf der Eingangsseite des Graduales und die Zierseite zum Osterfest dienten dem Buchmaler zu typologischen Gegenüberstellungen von Ereignissen aus Altem und Neuem Testament. Der Huldigung des Christuskindes durch dargebrachte Geschenke wird als Präfiguration die Huldigung König Davids [korr.: Salomos] durch die Königin von Saba vorangestellt. Zur Initialminiatur mit der Auferstehung Christi sind in der Rankenbordüre auf dem Fußsteg des Blattes Samson mit den Toren von Gaza sowie der vom Wal ausgespiene Jonas kombiniert. Derartige Gegenüberstellungen haben die Fraterherren später zu narrativen Illustrationsprogrammen ausgebaut (vgl. Dom Hs. 274, Kat. Nr. 102).
Zustand und Zusammensetzung
Schrift und Hände
Lateinischer Text in schwarzer Textura, rubriziert;
Musiknotationen
Buchschmuck
- Initialen: schwarze und rote Cadellen sowie Lombarden in Minium und Blau mit Federzeichnung (Masken, Maiglöckchen-Fleuronnée, Perlstäbe); neun Initialen mit Akanthusranken, Blütenschmuck und Randausläufern (23r, 143r, 157v, 186v, 196r, 211v, 249r, 274r); fünf historisierte Initialen mit zwei- bis dreiseitiger Spiegelrahmung (1r, 15v, 124v, 148r, 181r); Stifterwappen auf Vorsatzblatt (verso).
Einband
Einband: Schweinsleder über Holz mit beidseitigen Eck- und Mittelbeschlägen aus Messing; ursprünglich zwei Messingschließen (die untere verloren).
Geschichte der Handschrift
Inhaltsangabe
- Ar Leer.
- Av Stiftungsvermerk.
- Br Titel: Aspersionsantiphon Ad aspersionem aquae. Asperges me Domine.
- Bv Leer.
-
1r-180v
Titel: Proprium de tempore (1. Advent - 25. Sonntag nach Pfingsten).
- 1r 1. Adventssonntag A(d te levavi animam meam): Königin von Saba beschenkt König David [korr.: Salomo], Könige bringen dem Christuskind ihre Geschenke. Zierseite mit dreiseitiger Spiegelrahmung.
- 13r Heiligabend D(ominus dixit).
- 15v Weihnachten P(U er natus est nobis): Geburt Christi. Zierseite mit zweiseitiger Spiegelrahmung.
- 23r Epiphanie E(C ce advenit).
- 124v Ostersonntag R(E surrexi): Auferstehung Christi. Zierseite mit dreiseitiger Spiegelrahmung, darin unten Samson mit den Stadttoren von Gaza und Jonas, vom Walfisch ausgespien.
- 143r Christi Himmelfahrt V(I ri Galylei).
- 148r Pfingstsonntag S(piritus Domini): Herabkunft des Hl. Geistes.
- 157v 1. Sonntag nach der Pfingstoktav D(O mine in tua misericordia).
-
181r-210r
Titel: Proprium de sanctis (Andreas - Katharina).
- 181r Fest des hl. Andreas D(O minus secus mare Galylee): Berufung der hll. Petrus und Andreas. Zierseite mit dreiseitiger Spiegelrahmung.
- 186v Li.htmleß S(U scepimus Deus).
- 196r Fest der hll. Petrus und Paulus N(U nc scio vere).
- 257v Leer.
Bibliographie
- W. Kisky, Die Domkapitel der geistlichen Kurfürsten in ihrer persönlichen Zusammensetzung im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert, Weimar 1906 (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit I/3), S. 39f., 70, Nr. 211
- Heusgen 1933, S. 6f., Nr. 229
- Herbst des Mittelalters 1970, S. 82f.
- Kirschbaum 1972, S. 282ff., 313, 316ff.
- Handschriftencensus 1993, S. 695f., Nr. 1173.
Quellenangabe
- Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung. München 1998. S. 504-509 (Johanna C. Gummlich) [Digitaler Volltext]