Beschreibung von Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 12

Bibliographische Beschreibung

Bezeichnung
Hillinus-Codex
Entstehungsort
Von einem Reichenauer Maler und einem Seeoner (?) Schreiber in Köln gefertigt
Entstehungszeit
zwischen 1010 und 1020
Beschreibstoff
Pergament
Umfang
211 Blätter (Fol. 122 doppelt vergeben)
Format
366 mm x 260 mm
Persistenter Identifier
urn:nbn:de:hbz:kn28-3-7950 Persistent Identifier (URN)
Weitere Angaben
Land
Deutschland
Ort
Köln
Sammlung
Dombibliothek
Signatur
Cod. 12

Überblickbeschreibung

Hillinus-Codex

Laut Schreibereintrag (2v) wurde das Evangeliar von den Brüdern Purchardus und Chuonradus für den ansonsten nicht nachweisbaren Kölner Domherrn Hillinus angefertigt, der im ungewöhnlich plazierten Dedikationsbild (16v) dem hl. Petrus das fertige Buch überreicht. Wenn auch nicht in Köln beheimatet, so weilten die beiden Brüder doch während der Arbeit an diesem Codex mit großer Wahrscheinlichkeit in der Stadt, wie es der schon genannte Eintrag zu Beginn des Evangeliars nahelegt. Das Lokalkolorit färbte vor allem auf das Dedikationsbild ab, dessen bekrönende Architektur den karolingischen Kölner Dom und dessen Fußboden die Deckplatte aus rotem und grünem Porphyr vom Grab Erzbischof Geros (969-976) vor dem Kreuzaltar des Domes darzustellen scheint. Eine solche, fast realistisch zu nennende Charakterisierung von Architektur ist in der ottonischen Zeit einmalig und wird daher nur mit Zurückhaltung zur Kenntnis genommen. Eine weitere Kölner Eigenart ist das Autorenportrait des Bibelübersetzers Hieronymus (347/348-419/420) zu Beginn der Handschrift. Während das Bildthema auf der Reichenau unbekannt ist, gehört es in Kölner Evangeliaren fast zur Standardausstattung.

Dem Eintrag zu Beginn der Handschrift entsprechend können zwei an der Herstellung beteiligte Kräfte nachgewiesen werden (Hoffmann 1986). Der Schreiber wurde in der heute nach Seeon lokalisierten Schreibschule ausgebildet (vgl. Dom Hs. 144; Kat.Nr.79) und war laut Hoffmann auch an einem Evangeliar in Erlangen beteiligt (Universitätsbibl., Ms.12). Verwandte Initialen mit lappigen Blättern, stumpfen Astenden und blütenartigen blauen Blättern finden sich z.B. auch in der Bamberger Benediktsregel (Staatsbibl., Ms.Lit.143) derselben Schule. Die Miniaturen und Initialzierseiten dagegen sind eindeutig aus der Reichenauer Tradition hervorgegangen und unterschiedlichen Vorlagen verpflichtet. Motivisch eng verwandt ist das Evangeliar Ottos III. (München, Staatsbibl., Clm 4453), das nicht nur die Initialzierseiten vorbildet, sondern auch Einzelmotive wie den struppigen Vogel der Lukasinitiale (109r). Gleichzeitig scheint eine Handschrift des Trierer Gregormeisters ihre Spuren in der Ausstattung hinterlassen zu haben. Das Matthäusbild (22v) gleicht verblüffend demjenigen seines Evangeliars aus der Sainte-Chapelle (Paris, Bibl. Nat., Lat. 8851), das auch im Reichenauer Perikopenbuch Heinrichs II. (München, Staatsbibl., Clm 4452) vorbildhaft wirkte, also in der Schule bekannt war, während sich Hieronymus an dem Gregorbild (Trier, Stadtbibl., Hs. 171/1626) bzw. einem hypothetisch zu rekonstruierenden Hieronymusbild des Meisters orientiert (Schnitzler 1956). Auch einige der kleineren Initialen stehen in der Trier-Reichenauer Tradition (z.B. 17r; vgl. Berlin, Staatsbibl. PK, Ms. theol. lat. fol.34).

Autor des Textes: Ulrike Surmann

Zustand und Zusammensetzung

Lagenstruktur
Lagen 110 (1. Blatt = Spiegelblatt, ohne Zählung), 210-2, 310, 4-78, 8-96, 102+2-1, 11-138, 146, 1510-1, 16-218, 222+2-1, 238, 246+1, 25-288 ;
Seiteneinrichtung
Schriftspiegel 249 mm x 138 mm , im Capitulare 149 mm ;Blindliniierung und Liniierung mit Rötelstift mit Versalienspalten ( 10 mm ) und beidseitigen Marginalspalten ( 21 mm ), letztere im Capitulare nur auf der Innenseite; einspaltig; 25, im Capitulare 37 Zeilen.

Schrift und Hände

Lateinischer Text in dunkelbrauner bis schwarzer frühromanischer Minuskel, rubriziert; Auszeichnungsschriften: Uncialis, Capitalis Rustica; Initialen: Uncialis; einzeilige Textmajuskeln und zu Beginn einzelner Verse ein- bis zweizeilige Initialen in Gold;

Buchschmuck

  • Zu Beginn der Prologe mehrzeilige Initialen mit goldenen Ranken, hellblauen Blättern oder zoomorphen Motiven (17r), mit gespaltenem, miniumgefülltem Buchstabenkörper und zweifarbiger Schattierung in Blau und Grün; anschließende Zeile(n) in goldener Capitalis; gerahmte Initialzierseiten auf Purpurgrund mit Knollenblattranken, vegetabiler, zoomorpher und Flechtbandornamentik in Deckfarben mit Gold; Miniaturen und Kanontafeln in Deckfarben, Silber und Gold.

Einband

Der heutige Einband resultiert aus einer Restaurierung im Jahre 1981, bei der alle noch vorhandenen älteren Teile (14. Jh.?) wiederverwendet und alle rekonstruierbaren Teile ergänzt wurden (Restaurierungsbericht auf dem rückwärtigen Innenspiegel des Einbandes). Schweinsleder über Holz mit vegetabil ornamentierten Messing-Eckbeschlägen und -schnallen; Messingbeschläge an allen Kanten; auf der Vorderseite mittig ein wappenförmiges Messingschild mit Hirsch; rückwärtiger Mittelbeschlag verloren.

Geschichte der Handschrift

Provenienz
Die Handschrift wurde laut Schreibereintrag (2v) und Widmung (3r/v) für den Kölner Domkanoniker Hillinus geschrieben, der seine Widmungsinschrift in vorzüglichem Latein abfaßte (A. Arweiler). Darmstadt 1951.

Inhaltsangabe

  • 2v-3v Schreibereintrag und Widmung ( Jaffé/Wattenbach 1874, 5f.; Vöge 1891, 135).
    • 2v Schreibereintrag PRECE ET CARITATE HILLINI COLONIENSIS DOMUS CUIUSDAM CANONICI./NOS DUO NON SOLUM SPIRITU SED ETIAM CARNE GERMANI PURCHARDUS ET CHUONRADUS INVITATI ET COACTI. PRESENTEM LIBRUM ACCEPIMUS SCRIBENDUM AD ALTARE SANCTI PETRI INFRA MUROS COLONIAE PRINCIPALITER CONSTRUCTUM FIDELI DEVOTIONE TRADENDUM./DATORIS QUIDEM PREMIUM QUIA NOMINUS CERTUM. NOSTRUM QUOQUE PRO QUALITATE MERITORUM SPERAMUS PROPICIUM. LECTOR AMANDE TUI SIMUL ET MISERERE NOSTRI.
    • 3r/v Widmung des Codex durch Hillinus an den hl. Petrus MULTIMODA DIVINARUM - INREMISSIVA.
      • 3r M(ULTIMODA)
  • 4r Leer.
  • 4v-16r Titel: Vorreden zur Übersetzung der Evangelien durch Hieronymus und Kanontafeln.
    • 4v Autorenportrait des hl. Hieronymus mit zwei Schreibern.
    • 5r B(EATO PAPAE DAMASO HIERONYMUS. NOVUM OPUS FACERE ME COGIS) (Stegmüller 595). Hieronymus schildert seine Bedenken der ihm gestellten Aufgabe gegenüber.
    • 7r P(LURES FUISSE) (Stegmüller 596). Erklärungen des Hieronymus zu der Vierzahl der Evangelien, zu den Evangelisten und deren Symbolen.
    • 8v SCIENDUM ETIAM (Stegmüller 601 ). Dem Hieronymus fälschlich zugeschriebene Erklärung zur Benutzung der Kanontafeln.
    • 9r AMMONIUS QUIDEM (Stegmüller 581 ). Bericht des Eusebius über die Einrichtung der Kanontafeln und deren Gebrauch.
    • 9v Bricht ab mit Continuo scire pote .
    • 10v-16r Zwölf Kanontafeln (2I, 3II, III, IV, V, VI-VIII, IX-XMt, XMk, Lk, XJo).
  • 16v-202v Titel: Evangelienberichte von Leben, Sterben und Auferstehung Jesu.
    • 16v Dedikationsbild. Hillinus überreicht den von ihm gestifteten Codex dem hl. Petrus.
    • 17r-71v Titel: Evangelium nach Matthäus.
      • 18r Capitula beginnend mit NATIVITAS XPISTI MAGI COMMUNE (Anfang fehlt).
      • 22v Evangelist Matthäus mit Inschrift AFFIRMAT GENITUM MATHEUS VIRGINE XPISTUM (Schaller/Könsgen 447 ;MGH PP V, 449) - Matthäus bezeugt den aus der Jungfrau geborenen Christus.
      • 23r Initialzierseite L(IBER GENERATI onis). Hervorgehoben werden: 24r Mt 1,18 XPISTI AUTEM GENERATIO , 26v Mt 4,1 TUNC IHESUC DUCTUS EST IN desertum, 64r Mt 26,2 S(CITIS QUIA POST BIDUUM PASCHA) , 70v Mt 28,1 V(ESPERE AUTEM).
    • 72r-104r Titel: Evangelium nach Markus.
      • 72v Capitula.
      • 73v Bricht ab mit PRINCIPES INTERROGANT IHESUM ET CONDEMPNANT EUM .
      • 74r Initialzierseite I(NITIUM EVANGELII). Das Evangelistenbild fehlt.
    • 105r-161r Titel: Evangelium nach Lukas.
      • 106r Capitula Z(ACHARIAS VISIO ANGELO) .
      • 108v Bricht ab mit SABBATIS CURAT hominis qui ex .
      • 109r Initialzierseite Q(UONIAM QUIDEM) : Vogel mit goldenem Gefieder. Das Evangelistenbild fehlt.
      • 152r Auf dem Seitensteg Zeichnung eines Stieres mit zurückgewandtem Kopf.
    • 161v-202v Titel: Evangelium nach Johannes.
      • 162v Bricht ab mit Ihesus super asinum sedit - grecis videre .
      • 163r Initialzierseite I(N PRINCIPIO ERAT VERBUM). Das Evangelistenbild fehlt.
  • 203r-210r Capitulare evangeliorum beginnend mit der Weihnachtsvigil ( Klauser 1972, 140-172 , mit Abweichungen).
  • 210v Leer. Innenspiegel hinten: altes Pergament; aufgeklebt der Restaurierungsbericht von 1981 .

Bibliographie

  • Hartzheim 1752, S. 11f.
  • A. Essenwein, Eine Abbildung des alten Kölner Domes, in: Anzeiger für Kunde deutscher Vorzeit N.F. 19 (1872), Sp. 209ff.
  • W. Vöge, Eine deutsche Malerschule um die Wende des ersten Jahrtausends, Trier 1891 (Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst, Erg.-H. 7), S. 134ff.
  • S. Beissel, Das Evangelienbuch des Erzbischöflichen Priesterseminars zu Köln, in: ZChrK 11 (1898), Sp. 17
  • S. Beissel, in: ZChrK 13 (1900), Sp. 69, Nr. 4
  • Ehl 1922, S. 159f.
  • A. Merton, Die Buchmalerei in St. Gallen vom neunten bis zum elften Jahrhundert, Leipzig 19232, S. 85
  • Kdm Köln 1/III, 1938, S. 393f. Nr. 6 (Lit.), Abb. 318
  • C. Nordenfalk, Die spätantiken Kanontafeln, Göteborg 1938, S. 199f.
  • H. Schnitzler, Hieronymus und Gregor in der ottonischen Kölner Buchmalerei, in: Kunstgeschichtliche Studien für Hans Kauffmann, Berlin 1956, S. 11ff.
  • Schnitzler I 1957, S. 26, Nr. 19, Taf. 57
  • P. Bloch, Die beiden Reichenauer Evangeliare im Kölner Domschatz, in: KDB 16/17 (1959), S. 9ff.
  • Bloch/Schnitzler II 1970, S. 23, passim
  • Klauser 1972, S.XLVII, Nr. 128
  • F. Mütherich, Ausstattung und Schmuck der Handschrift, in: F. Dressler u.a., Das Evangeliar Ottos III. Clm 4453 der Bayerischen Staatsbibliothek München. Bglbd. der Faksimile-Ausgabe, Frankfurt 1978, passim
  • Schulten 1980, S. 22f., Nr. 38, Abb. S. 50ff.
  • Ornamenta 1985, I S. 152, Nr.B4 (A. von Euw)
  • Hoffmann 1986, S. 410, Abb. 223
  • A. von Euw, Der Darmstädter Gero-Codex und die künstlerisch verwandten Prachthandschriften, in: Theophanu 1991, I S. 194f., Abb. 2
  • G. Bauer, Abendländische GrundLagen und byzantinische Einflüsse in den Zentren der westlichen Buchmalerei, in: A. von Euw/P. Schreiner (Hgg.), Kunst im Zeitalter der Kaiserin Theophanu, Köln 1993, S. 169f.
  • Handschriftencensus 1993, S. 580f., Nr. 975
  • Schreibkunst 1994, S. 156f., Nr. 24, passim (A. Schütz)
  • F. Mütherich/K. Dachs (Hgg.), Das Perikopenbuch Heinrichs II. Clm 4452 der Bayerischen Staatsbibliothek München, Bglbd. zur Faksimile-Ausgabe, Frankfurt/Stuttgart 1994, passim
  • Collegeville 1995, S. 20ff.
  • I. Siede, Zur Rezeption ottonischer Buchmalerei in Italien im 11. und 12. Jahrhundert, St. Ottilien 1997 (Studien zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige, Erg.-Bd.39), passim.

Quellenangabe

Impressum
Herausgeber
Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek Köln
Redaktion
Im Rahmen des DFG-Projekts CEEC bearbeitet von Patrick Sahle; Torsten Schaßan (2000-2004)
 
Bearbeitung im Rahmen des Projekts Migration der CEEC-Altdaten von Marcus Stark; Siegfried Schmidt; Harald Horst; Stefan Spengler; Patrick Dinger; Torsten Schaßan (2017-2019)
Ort
Köln
Datum
2018
URN
urn:nbn:de:hbz:kn28-3-7950
PURL
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:hbz:kn28-3-7950
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