Signatur König 38
Inv. 2017/0296
Stundenbuch der Doña Isabel
Lateinisches Stundenbuch nach dem Brauch von Rom
Simon Bening und Werkstatt
Flandern (Gent?), um 1510-1520
Material
Pergament, 289 Blätter (+ jeweils zwei Vor- und Nachsatzblätter aus Papier); 127/129 × 98 mm (beschnitten); Lagen (meist Quaternionen, ganzseitige Miniaturen auf Einzelblättern eingebunden): 16+1 (fol. 1), 26, 38, 48-1 (vor fol. 22), 58+1 (fol. 29), 68, 78+1 (fol. 46), 88+1 (fol. 60), 9-118, 122+1 (fol. 90), 13-168, 17-198+1 (fol. 127, 134, 146), 208-1 (nach fol. 151), 21-228+1 (fol. 161, 170), 23-268, 278+1 (fol. 207), 28-328, 338+1 (fol. 261), 348+6 (fol. 265, 267, 270, 272, 275, 277), 358+3 (fol. 280, 282, 284); Miniaturen als Einzelblätter eingebunden. Es fehlen Einzelblätter mit dem Anfang des Kreuzoffiziums (vor fol. 22) und dem Beginn der Marienvesper (vor fol. 152). Die Lücken im Bilderzyklus und die noch vorhandenen Zierseiten ohne begleitende Illustration lassen darauf schließen, dass der Handschrift mindestens zwölf ganzseitige Miniaturen abhanden kamen (oder dreizehn, sollte der Kodex ursprünglich eine Evangelienlesung nach Matthäus enthalten haben; s. Kommentar). Für folgende Texte wären vorgeschaltete Miniaturen zu ergänzen: Heilig-Geist-Offizium (vor fol. 8, wahrscheinlich Pfingsten), Marienmesse (vor fol. 15, wahrscheinlich Maria mit Kind oder Messe), Kreuzoffizium (nach fol. 21, wahrscheinlich Kreuzigung), Passion nach Johannes (vor fol. 74, evtl. Kreuztragung), Evangelium nach Johannes (vor fol. 85, evtl. Johannes auf Patmos), Evangelium nach Lukas (vor fol. 87, evtl. schreibender Lukas), Evangelium nach Markus (vor fol. 89, evtl. schreibender Markus), Laudes des Marienoffiziums (vor fol. 113, evtl. Heimsuchung), Sext des Marienoffiziums (vor fol. 141, evtl. Anbetung der Könige), Marienvesper (nach fol. 51, evtl. Flucht nach Ägypten), Obsecro te (vor fol. 256, evtl. Maria mit Kind), Suffragium der hl. Katharina (vor fol. 279, wahrscheinlich hl. Katharina). Schriftspiegel: ca. 80 (Kalendar: 83) × 57 mm; einspaltig (Kalendar zweispaltig); 15 bzw. 17 (Kalendar) Zeilen; Liniierung in Rot.
Ausstattung
Lateinischer Text in schwarzer Gotica rotunda, rubriziert; Name der ersten Besitzerin, Dona Isabel, in abwechselnd brauner und roter Zierschrift auf fol. 1r, 180v, 206r, in Rot auf fol. 169r. Ein- und zweizeilige Initialen sowie Zeilenendungen in Pinselgold auf abwechselnd rotem oder blauem Grund; sechszeilige Initiale (168r) in Pinselgold auf Mauve; siebenzeilige Blattwerk- oder Astinitialen zu Beginn der Haupttexte oder Textabschnitte in Weiß oder Gold auf goldenem, rosafarbenem, blauem oder grünem Grund, meist gefüllt mit oder umgeben von Früchten, Blumen, Vögeln, Insekten, Tieren oder Objekten (z. B. ein Schädel auf fol. 268r); Initiale auf fol. 8r aus Perlen zusammengesetzt und auf fol. 147r mit Perlen besetzt; Zierseiten und 20 ganzseitige Miniaturen (von ursprünglich 32 oder 33) von goldgrundigen oder farbigen Bordüren gerahmt mit Blattwerk, Blumen, Insekten, Vögeln, Edelsteinen und Objekten in Trompe-l’œil-Malerei sowie mit Grotesken und Figuren (z. B. eine Frau, die eine Ziege melkt auf fol. 285r, oder ein Liebespaar in einem Boot auf fol. 256r); auf fol. 127v und 281r Bordüre durch Landschaftsszenerie ersetzt.
Einband
Blauer Maroquin-Einband mit architektonischem Rahmenwerk in Goldprägung; auf dem Rücken Prägung in goldenen Majuskeln »MANUSCRIT / GOTHIQUE« in architektonischem Rahmen in Goldprägung; marmorierte Vorsatz- und Endblätter; Goldschnitt. Frankreich, 19. Jh.
Vorbesitzer
Die Handschrift wurde für eine Dona Isabel hergestellt, deren Name im Text des Mariengebetes Obsecro te (258v) genannt wird. Ihr Name wird mehrfach am Anfang des Kodex (1r) und am Ende der wichtigsten Texte in Großbuchstaben wiederholt: Marienoffizium (169r), Marienoffizium für die Adventszeit (180v) und Bußpsalmen mit Litanei (206r). Möglicherweise kann diese Dona Isabel entweder als Isabella von Portugal (1503-1539), die Tochter von Manuel I. von Portugal und Maria von Aragon, identifiziert werden, die durch ihre Heirat mit Kaiser Karl V. im Jahre 1526 zur Kaiserin wurde, oder als Isabella von Österreich (1501-1526, auch bekannt als Isabella von Kastilien), die Tochter von Johanna der Wahnsinnigen und Philipp dem Schönen, dem Sohn Kaiser Maximilians I. Sie heiratete König Christian II. von Dänemark im Jahre 1515. 1890 gehörte die Handschrift Madame de Chavigny aus Sazilly in Frankreich, die das Buch in diesem Jahr für eine von der Société archéologique de Touraine organisierte Ausstellung in Tours zur Verfügung stellte (s. Bibliographie).
Inhalt
Den Miniaturen steht jeweils eine Zierseite gegenüber. Das Verso der Miniaturen ist leer.
1r Name der ersten Besitzerin in gerahmter Zierschrift: Dona Isabel.
1v leer.
2r-7v Kalendar (Rom), lateinisch, sporadisch besetzt (u. a. 12.8. Clare, 1.10. Bavonis [rot], 4.10 Francisci).
8r-14r Heilig-Geist-Offizium. 8r Zierseite.
14v leer.
15r-20v Marienmesse. 15r Zierseite.
21rv leer.
22r-28r Kreuzoffizium (Anfang mit dem Beginn der Matutin fehlt). … [in]ter iudicium tuum et animan meam nunc et in hora mortis mee …
28v-29r leer.
29v-45r Passion nach Matthäus (Mt 26,1-27,66). 29v Miniatur: Gefangennahme Christi.
45v-46r leer.
46v-59v Passion nach Markus (Mk 14,1-15,46). 46v Miniatur: Geißelung Christi.
60r leer.
60v-73v Passion nach Lukas (Lk 22,1-23,53). 60v Miniatur: Dornenkrönung Christi.
74r-84v Passion nach Johannes (Jo 18,1-19,42) beginnend mit einer Zierseite und endend mit einem Gebet (84rv): Deus qui manus et pedes ac totum corpus tuum pro nobis peccatoribus in ligno crucis posuisti, et coronam spineam a iudeis in despectu tui sacratissimi nominis … 74r Zierseite.
85r-89v Evangelienlesungen nach Johannes, Lukas und Markus. 85r Johannesevangelium. Zierseite. 86v leer. 87r Lukasevangelium. Zierseite. 89r Markusevangelium. Zierseite.
90r leer.
90v-169r Marienoffizium (Rom; unvollständig: Das erste Blatt der Vesper fehlt. Sie beginnt auf fol. 152r … confregit in die ire sue reges. Iudicabit in nationibus …). 90v Miniatur zur Matutin: Verkündigung. 113r Laudes. Zierseite. 127r leer. 127v Miniatur zur Prim: Geburt Christi134r leer. 134v Miniatur zur Terz: Verkündigung an die Hirten. 140v leer. 141r Sext. Zierseite. 146r leer. 146v Miniatur zur Non: Darbringung im Tempel. 160v-161r leer. 161v Miniatur zur Komplet: Marienkrönung. 168r S(alve regina). 169r Name der ersten Besitzerin in Zierschrift nach der Komplet: Dona Isabel.
169v-170r leer.
170v-180v Marienoffizium für den Advent. 170v Miniatur: Elevation der Hostie in der Messfeier. 180v Name der ersten Besitzerin in Zierschrift: Dona Isabel.
181r-206r Bußpsalmen und Litanei. 181r Zierseite. 206r Abschluss mit Amen und dem Namen der ersten Besitzerin Dona Isabel in Zierschrift.
206v-207r leer.
207v-255v Totenoffizium (Rom). 207v Miniatur: Auferweckung des Lazarus.
256r-264v Mariengebete. 256r Zierseite. O(bsecro te). 258v … et mihi famule tue dona Isabel … 260v-261r leer. 261v Miniatur zum Gebet O (intemerata): Beweinung Christi.
265r leer.
265v-289r Suffragien, Verse des hl. Gregor, Athanasianisches Glaubensbekenntnis, eingeleitet mit Miniaturen (Rückseiten leer). 265v Hl. Hieronymus. 267v Messe des hl. Gregor. 270v Hl. Dominikus. 272v Hl. Sebastian. 274v leer. 275v Hl. Nikolaus. 277v Stigmatisation des hl. Franziskus. 279rv Suffragium zu Ehren der hl. Katharina (Miniatur fehlt). 279r Zierseite. 280v Martyrium der hl. Agathe. 282v Hl. Apollonia. 284v Hl. Athanasius.
289v leer.
Literatur
Société archéologique de Touraine. Exposition rétrospective de 1890: Catalogue des object exposés, 2. Aufl., Tours 1890, S. 22-123, Kat. 1077.
Album de l’Exposition retrospective de Tours (1890), publié sous les auspices e la Société archéologique de Touraine par Léon Palustre, Tours 1891, S. 120, Taf. LX[b].
James H. Marrow, Das Stundenbuch der Doña Isabel, Sammlung Renate König VI, Reihe »Kolumba« (Bd. 30), Köln 2008. |