Corpus Dionysiacum (Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 30)
Bibliographische Beschreibung
Überblickbeschreibung
Pseudo-Dionysius Areopagita: Corpus Dionysiacum
Als Autor der in Dom Hs. 30 überlieferten Schriften galt der Paulusjünger und erste Bischof von Athen Dionysius Areopagita, obwohl der Inhalt der nach ihrem Verfasser als 'Corpus Dionysiacum' benannten Textsammlung wohl kaum vor der Mitte des 5.Jahrhunderts denkbar ist. Daher wird der Autor heute als Pseudo-Dionysius bezeichnet, auch wenn man seine Identität im Mittelalter nicht anzweifelte. Schließlich sind laut Zeugnis der Handschriften seine Werke Timotheus zugeeignet, der im Auftrag des Apostels Paulus in Ephesos zurückgeblieben war. Im Jahre 827 übersandte der byzantinische Kaiser Michael II. (820-829) eine Prachtausgabe des Corpus an Ludwig den Frommen (814-840), die möglicherweise mit dem Codex graecus 437 der Pariser Nationalbibliothek identisch ist. Nachdem eine erste lateinische Übersetzung durch Hilduin, den Abt von Saint-Denis (gest. 855/861), sprachlich nicht befriedigend ausgefallen war, beauftragte König Karl der Kahle (840/843-877) den an seinem Hof tätigen irischen Gelehrten und Lehrer der 'artes liberales' Johannes Scotus Eriugena mit einer neuen Übertragung. Auch diese hält sich eng an den griechischen Originaltext und ist daher eine komplizierte Lektüre.
Dom Hs. 30 enthält das gesamte 'Corpus Dionysiacum'. Der Inhalt wird mit Hilfe von Diagrammen verdeutlicht, die z.T. mit Verweiszeichen auf bestimmte Worte des Textes bezogen sind, die sie erläutern sollen. Dem Text vorgeschaltet sind Verse und Brief des Johannes Scotus, in denen er sich an seinen Auftraggeber Karl den Kahlen wendet. Den Anfang bildet Dionysius' Traktat über die Geistwesen, die 'himmlische Hierarchie' (4v-25v). Er teilt darin die Engel in neun Chöre zu je drei Triaden ein: Seraphim, Cherubim und Throne, Herrschaften, Mächte und Gewalten, Fürstentümer, Erzengel und Engel. In der sich anschließenden 'kirchlichen Hierarchie' (25v-52v) setzt sich dasselbe Gliederungssystem für die Ämter und Stände der Kirche sowie die Sakramente fort: Taufe, Eucharistie und Weihe, Bischöfe, Priester und Liturgen, Mönche, Gemeinde und die Stände der Reinigung (Katechumenen, Büßer). Danach befaßt sich Dionysius mit den 'Namen Gottes' und der Gotteserkenntnis (52v-89v) sowie in der 'mystischen Theologie' mit der absoluten Transzendenz Gottes (89v-91v), die sich offensichtlich in keinerlei Diagrammen mehr fassen läßt. Den Abschluß des Corpus bilden mehrere Briefe (91v-101r), unter deren Adressaten vor allem Johannes mit der Anschrift Patmos auffällt (zum Autor und seinen Schriften s. A.M. Ritter/H. Meinhardt, in: LexMa 3 [1985], Sp. 1079ff.).
Der Codex wurde von verschiedenen Schreibern angefertigt, die sich einer z.T. extrem sorgfältigen Minuskelschrift und einer schön geschriebenen Rustica für die Rubriken bedienten. Wahrscheinlich befand sich das ausführende Skriptorium im Kloster Amorbach im Odenwald (Hoffmann 1995; Hochholzer 1997).
Überblickbeschreibung aus: Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung, München 1998, S. 210-212 (Ulrike Surmann)
Bibliographie
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