Psalmi cum glossis et al. (Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 45)
Bibliographische Beschreibung
Überblickbeschreibung
Psalter mit Glossen
Der stattliche Band enthält in eindrucksvoller Kalligraphie als Hauptteil den lateinischen Psalter (28r-167v), der in großer Minuskel stets die innere Kolumne der Seiten einnimmt, während sich der Kommentar eines bisher nicht identifizierten Autors in kleinerer Schrift auf den Außenspalten sowie auf den oberen und unteren Blatträndern ausdehnt. Dem glossierten Psalter schließen sich die Cantica (168v-182v) an, wobei die beiden Glaubensbekenntnisse, das Symbolum Athanasianum und das Symbolum Nicaenum, ebenfalls glossiert sind. Ihnen folgt die Litanei als Abschluß der Handschrift. Interessant ist der Anfang des Codex mit Offiziumstexten zu den Wochentagen (1r-7v), deren Kompilation auf Alkuin (um 730-804) zurückgeht, dem Kalendar (8r-15v) und Vorreden verschiedener Autoren (16r-27r), so z.B. von Hieronymus (347/348-419/420), Cassiodor (um 485-um 580) und Isidor von Sevilla (um 560-636). Die mit Hic citharista sedens David rex atque propheta - Hier sitzt David, der Lautenspieler, König und Prophet - beginnenden Verse (17v-19r) kopieren wohl die Beischrift zu einer Miniatur mit dem königlichen Psalmisten, die in dieser Handschrift jedoch fehlt.
In der Textzusammenstellung von Dom Hs. 45 spiegelt sich einerseits theologisches Interesse an der Psalmendeutung und andererseits der Wunsch nach einer liturgischen Nutzung, was auch einige wenig spätere Texte mit Neumen nahelegen. Die künstlerische Ausstattung mit großen, in Minium ausgeführten Initialen betont die acht Psalmen des morgendlichen Chorgebetes für die Wochentage und des sonntäglichen Vesperpsalms (1, 26, 38, [52], 68, 80, [97], 109). Diese Ordnung wird erweitert durch die Dreiteilung des Psalters (1, [51], 101). Schließlich setzt sich die Ausstattung der Vesperpsalmen nach Psalm 109 mit einer Initiale zu Psalm 114 für die Vesper am Montag fort, wird aber nicht weitergeführt. So entsteht der Eindruck, daß zwar verschiedene Möglichkeiten der Psaltergliederung beachtet, aber nicht konsequent befolgt worden sind. Die beiden letzten Initialen (137r, 140r) wurden wohl erst im 11./12.Jahrhundert und in geringerer Qualität ausgeführt.
Der Initialstil setzt alemannische Buchkunst voraus, wie sie im St. Galler Lektionar Cod. 433 der dortigen Stiftsbibliothek bzw. in den beiden noch vor der Mitte des 10.Jahrhunderts entstandenen Reichenauer Lektionaren Aug. perg. 16 und 37 der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe überliefert ist. Erwähnenswert ist die vergleichbare Situation in Trier, wo das Evangeliar der Bibliothek des Priesterseminars (Hs.106) aus dem frühen 10.Jahrhundert eine St. Galler Vorlage in Art des Folchard-Psalters (St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. 23) voraussetzt. Auch im Kalendar unseres Psalters ist eine alemannische bzw. süddeutsche Schicht mit den hll. Gallus, Otmar, Magnus, Kilian u.a. zu belegen, darüber hinaus eine kölnische mit den hll. Pantaleon, Gereon, Severin, Kunibert, Ursula sowie den Festen In Wirduna (Werden) s. Liudgeri (26.3.) bzw. Adventus s. Liudgeri epi. (25.4.) und vor allem mit dem Eintrag zum 4.Juli Translatio et ordinatio et dedicatio basilicis (!) magnae s. Martini episcopi , womit die Kirche Groß St. Martin in Köln gemeint sein muß. Ausschließlich auf Köln bezogene Nachträge, die u.a. den Tod des Erzbischofs Everger (985-999) zum 11.Juni vermerken, dürften am Anfang des 11.Jahrhunderts geschrieben worden sein. Auch die Litanei enthält Anrufungen von für Köln charakteristischen Heiligen. In seine Überlegungen zu dem mit Trier zu verbindenden Psalter des 1021 verstorbenen Bischofs Wolbodo von Lüttich (Brüssel, Bibl. Royale, Ms.9188-9189) bezog Konrad Hoffmann (1986) auch den Psalter Dom Hs. 45 als kölnisches Werk ein, eine Lokalisierung, die schon Anton Chroust (1911) im Abwägen mit einer alemannischen Provenienz favorisierte. Raymund Kottje (1991) bestätigte die Beobachtungen Hoffmanns zum Schriftstil und verband diesen mit Kölner Handschriften der Zeit Erzbischof Evergers (Dom Hs. 53 und Dom Hs. 143, Kat.Nr.80). Bereits Georg Zilliken (1910) hatte auf zwei zur Datierung des Psalters wichtige Einträge aufmerksam gemacht: den im Kalendar ebenfalls am 4.Juli genannten Ulrich (Odelrici), der 973 verstorbene und schon 993 heiliggesprochene Bischof von Augsburg, sowie in der Litanei (184r) den Eintrag Et Oddonem regem perpetua prosperitate conservare digneris. Damit muß König Otto III. gemeint sein, bevor er im Jahre 996 zum Kaiser gekrönt wurde. Die Handschrift dürfte demnach gegen Ende des 10.Jahrhunderts, möglicherweise innerhalb der Jahre 993-996, entstanden sein - und zwar in Köln, wo sie von Anfang an benutzt wurde -, wohl unter Verwendung einer alemannischen Vorlage.
Überblickbeschreibung aus: Glaube und Wissen im Mittelalter. Katalogbuch zur Ausstellung, München 1998, S. 219-224 (Joachim M. Plotzek)
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